Rosenmontag.

Während seines Aufenthaltes in Paris ging der Dichter Rainer Maria Rilke täglich um die Mittagszeit in Begleitung einer jungen Französin an einer alten Bettlerin vorbei. Stumm und unbeweglich saß die Frau da und nahm die Gaben der Vorübergehenden ohne jedes Anzeichen von Dankbarkeit entgegen. Der Dichter gab ihr, worüber sich seine Begleiterin sehr wunderte, nichts; die Freundin hatte im Gegensatz zu ihm immer eine Münze für die alte Frau bereit. Vorsichtig darüber befragt, sagte Rilke: „Man müsste ihrem Herzen schenken, nicht ihrer Hand!“ An einem der nächsten Tage erschien Rilke mit einer wundervollen, halberblühten Rose. Ah, dachte das Mädchen, wie schön: Eine Rose für mich! Aber Rilke legte die Rose in die Hand der Bettlerin. Da geschah etwas Merkwürdiges: Die Frau stand auf, griff nach seiner Hand, küsste sie und ging mit der Rose davon. Eine Woche lang blieb sie verschwunden, dann saß sie wieder an ihrem Platz, stumm, starr wie zuvor. „Wovon mag sie die ganzen Tage über gelebt haben?“ fragte das Mädchen, und Rilke antwortete: „Von der Rose!“

Das ist eine schöne Geschichte, weil sie zeigt, worauf es beim Geben und Schenken ankommt. Vielleicht ist die Rose deshalb so beliebt als Geschenk, weil sie wunderbar in ihrer schlichten Schönheit ist. Bei einer Befragung vor einigen Jahren, die vom Institut für Demoskopie in Allensbach durchgeführt wurde, nannten 38 {0f38065183cb40ac31b18e7eb06d8f44721306cfb9fa896965a116e3f20acc1c} der Befragten die Rose als ihre Lieblingsblume, deutlich vor Orchideen und Nelken mit je sieben Prozent der Befragten. Die Tulpe kommt auf sechs Prozent. Alle anderen Antworten verteilten sich auf einen ganzen Teppich von Blumen, aber die Rose!! 85 {0f38065183cb40ac31b18e7eb06d8f44721306cfb9fa896965a116e3f20acc1c} aller Deutschen sehen in der Rose ein Zeichen der Liebe, Zuneigung, Sympathie.

Manchmal singen wir in der Kirche das Lied aus der früheren DDR: „Wenn das Brot, das wir teilen, als Rose blüht“ Es geht zurück auf eine Legende der heiligen Elisabeth: Sie habe ohne Zustimmung ihres Mannes Brot an die Armen verteilt. Als einmal die Leute ihres Mannes kontrollieren wollten, was Elisabeth in ihrer Tasche trug, sagte sie auf ihre Frage: „Rosen!“ Dabei hatte sie doch Brot für die Armen eingepackt. Als die Männer sie kontrollierten, war aus dem Brot ein Strauß von Rosen geworden. Und es ist nicht schwer, diese Legende zu entschlüsseln, die ja von der Rilke-Geschichte gar nicht weit entfernt ist. Man schenkt eben Rosen, weil sei ein Zeichen der Liebe sind.

Von einem Menschen, dem es wirtschaftlich nicht gut geht, sagt man, er sei nicht auf Rosen gebettet. Christen beten den Rosenkranz, der wohl ursprünglich tatsächlich ein Kranz blühender Rosen war, bevor die Rosen durch Perlen ersetzt wurden. Und wenn der Mystiker Heinrich Seuse sagte: „Ich möchte nichts anderes als Rosen verteilen!“ dann wissen wir nun, was er gemeint hat. Und Therèse von Lisieux hat gesagt: „Wenn ich einmal im Himmel bin, will ich Rosen vom Himmel Regnen lassen.“ Also wieder ein Symbol für Liebe und Zuwendung.

Nur der Rosenmontag hat nichts mit Rosen zu tun, so schön das auch wäre. Der Name kommt aus dem 18. Jahrhundert und meint eigentlich „rasender Montag“, weil die Narren durch die Städte und Dörfer rasen. Oder vielleicht auch, weil er rasend schnell vorbei ist. Schade! Am Rosenmontag könnte man ja Symbole echter Liebe und Zuneigung ganz gut gebrauchen.