Lavendel – ein Genuss für Augen und Nase

In meinem Garten blüht jetzt der letzte Lavendel; der frühe Lavendel hat schon vor Monaten seinen wunderbaren Duft verbreitet. Ich werde den Lavendel pflücken und in eine trockene Vase in der Wohnung aufstellen; dann verbreitet er seinen Duft im ganzen Raum. Manche Leute legen auch die Lavendelblüten in den Kleiderschrank.
Der Lavendel hat seinen Namen vom italienischen „lavanda“ und erinnert an das, was „zum Waschen und Baden“ dient. Damit ist gemeint, dass die kostbaren Lavendelöle, Zusatz zum Badewasser, eine hervorragende Duftnote beim Baden und Waschen verbreiten.
Dieses Öl wird aus frisch gepflückten Lavendelblüten gepresst. Auch Lavendelwasser dient der Kosmetik. Leider kann man den Duft des Lavendel nicht über das Internet herüberbringen; und man kann diesen Duft auch nicht durch Worte übermitteln: Man muss den Duft selbst erleben, ihn in die Nase ziehen lassen, sich am Lavendelduft berauschen.
Aber der Lavendel ist nicht nur ein Genuss für die Nase, seine blau-violetten Blüten sind auch eine Freude für die Augen.
Leider trifft man den Lavendel in der hiesigen Gegend ziemlich selten an; vielleicht steht hier oder dort ein einsamer Lavendelbusch im Vorgarten.
Aber in Süd-Frankreich, in der Provence! Dort wächst der Lavendel auf riesigen Feldern, seine Blütenpracht ist wie eine Reihe von violetten Kissen, in die hin und wieder ein paar Spuren von Grün hinein gewoben sind; aber das ganze Feld ist überwiegend lavendelblau. Oder was ist das für eine Farbe? Nicht richtig blau, nicht richtig rot, nicht richtig lila, sondern irgendwie dazwischen und ein bisschen von allem; der violetten Farbe kommt der Lavendel am nächsten.
In der Farbensymbolik ist einer der beiden Anteile des Violett das Rot, es steht eindeutig für Liebe und Zärtlichkeit. Deshalb sind ja die edelsten Rosen rot, sie übermitteln dem Empfänger – meistens ist es eine Empfängerin! – die Botschaft der Liebe. Und so, wie die Liebe nicht immer eindeutig ist – manchmal sehr zweideutig! -, sondern viele Unterschiede und Schattierungen aufweist, ist auch der rote Anteil am Violett vielfältig, ein bisschen von dem geduldigen und gelassenen, ein bisschen von dem wilden, aktiven Rot.
Manche Menschen sagen sogar, das Rot sei die eigentliche Haupt-Farbe, hinter der alle anderen Farben verblassen; mag sein! Rot ist jedenfalls auch die Farbe des Feuers und des Heiligen Geistes – Pfingsten! Rot ist die Farbe von Blut und Leben. Rot ist die Farbe von Kraft, Willen und Energie.
Blau dagegen ist die Farbe des Wassers, die Farbe des Tiefgangs und der Intensität. Blau steht für Entspannung und Innerlichkeit. Blau ist die Farbe, in der der Mensch zu sich selber findet.
Blau ist die Farbe des Lebens, das im Wasser seinen Ursprung hat. Schon auf den ersten Seiten der Bibel – ganz am allerersten Anfang – wird vom Wasser gesprochen, wo Gott Land und Wasser voneinander trennt; Blau ist also auch die Farbe des Ursprungs,. Der Herkunft. Blau ist auch die Farbe der Religion, weil Blau zu Stille und Einkehr führt.
Wer einmal das Blau in den herrlichen Glasfenstern von Marc Chagall in St. Stefan in Mainz gesehen und betrachtet hat; oder wer das Blau in den mittelalterlichen Glasfenstern in Chartres meditiert hat, weiß, wie das Blau den Menschen in eine ganz andere Tiefendimension hinabtaucht. Blau ist also die Farbe des Glaubens und der Meditation.
Und Violett? Wir kennen in der Liturgie das Violett als Farbe der Buße – in der Fastenzeit und im Advent -, aber das ist nur die eine Seite. Violett ist, als Versöhnung der Gegensätze Rot und Blau, die Farbe jener Liebe, die aus dem Glauben kommt. Glaube und Liebe vereinen sich im Violett.
Der Lavendel ist eine Einladung, Glaube und Liebe ganz miteinander zu verknüpfen.

Ulrich Zurkuhlen (September 2003)