Jan Hus wird verbrannt.

Vor wenigen Tagen haben die Christen das 500jährige Reformationsjubiläum begangen; Martin Luther soll am 31. Oktober 1517 die „95 Thesen“ an die Klosterkirche in Wittenberg geheftet haben. Theologen bestreiten heute weitgehend diesen Vorgang, das Faktum der Thesen wird allerdings nicht bestritten; Luther hat sie wahrscheinlich den zuständigen Autoritäten übergeben. Man kann als Nicht-Lutheraner ein wenig irritiert sein, z.B. als ich in den Berichten des Kirchentages hörte, ein lutherischer Bischof aus Südafrika habe gesagt, Luther sei der Erfinder der Demokratie gewesen. Offenbar hatte der Mann noch nichts von den alten Griechen gehört. Andererseits: Wenn der Kölner Kardinal Woelki öffentlich erklärt, mit der Ökumene gehe es viel zu schnell, kann ich auch nur den Kopf schütteln. Weiß der Mann nicht, dass in den Gemeinden die Ökumene wächst und gedeiht? Gott sei Dank dafür!

Mich wundert allerdings, dass viel von Luther gesprochen wurde, aber wenig über die beiden anderen großen Reformatoren Calvin und Zwingli, in deren Nachfolge sich heute viele evangelische Christen sehen, die so genannten evangelisch-reformierten Christen, die es ja auch hier in Deutschland, z.B. am Niederrhein gibt. Warum werden diese beiden großen evangelischen Gestalten unterschlagen?

Und dann wundert mich noch mehr, dass man nicht davon spricht, dass Luther in der Reihe anderer Reformatoren vor ihm steht. Luther hat vieles übernommen, vieles ist gar nicht von ihm. Auch in der Übersetzung der Bibel und zahlreicher theologischen Aussagen steht Luther in der Reihe etwa der
berühmten Reformatoren John Wyklif und Jan Hus: Wyklif in England und Hus in Tschechien. Auf einer Pilgerfahrt mit 50 Mitpilgernden zum Bodensee haben wir auch die herrliche Stadt Konstanz besucht, wo Jan Hus am 6. Juli 1415 öffentlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde (s. das Bild!), ein fürchterlicher Vorgang, ein Martyrer. Er hatte z.B. in der Frage der Verwandlung von Brot und Wein in der Eucharistie eine andere Meinung als die damalige Kirchenleitung. Und er war dazu übergegangen, die Kommunion unter beiden Gestalten, also Brot und Wein,  zu spenden, was heute ziemlich selbstverständlich ist und in vielen katholischen Gemeinden praktiziert wird. Was Wyklif angestoßen hatte, wurde von Hus weitergeführt, und Luther setzte ihre theologische Linie fort. Das wird mir in diesem Jubiläumsjahr viel zu wenig dargestellt. Ich lese zur Zeit ein hoch interessantes Buch über diese drei großen Reformatoren. Vieles habe ich selbst früher nie gelernt.

Und was wäre, wenn wir noch vor 500 Jahren lebten? Würden Drewermann und Küng auch öffentlich verbrannt? Gut, dass sich die Zeiten der Kirche in vielem, wenn auch nicht in allem, geändert haben

Ulrich Zurkuhlen