Verbot der Ehe

Wenn es eben möglich ist, lese ich jeden Tag ein Stück aus der Bibel, vom ersten bis zum letzten Kapitel; wir nennen das „lectio continua“, also etwa „ständige Lesung“. Es ist für mich nicht nur eine geistliche Pflicht, sondern ein Vergnügen mit manchen Überraschungen. Eine solche Überraschung war kürzlich ein Text aus dem ersten Brief des Paulus an seinen Mitarbeiter Timotheus. Im 4. Kapitel steht folgender Text: „Durch seine Propheten sagt der Heilige Geist ausdrücklich: Am Ende der Zeiten werden einige vom Glauben abfallen, die den Eingebungen irrlichternder Geister und den Lehren finsterer Mächte folgen. Sie glauben die leeren Reden geistiger Falschmünzer, deren Gewissen durch ihr böses Tun gebrandmarkt wird. Sie versuchen, die Ehe zu verbieten und zum Nahrungsverzicht aufzurufen. Dabei hat Gott diese Dinge geschaffen, damit die, die glauben und Gottes Wirklichkeit anerkennen, sie dankbar anerkennen können. Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist auch gut, denn auf nichts, für das man danken kann, muss man verzichten….“   Der Text steht also in 1 Tim 4,1-4; ich habe nach der Einheitsübersetzung  geschrieben, andere Übersetzungen sind nahezu identisch. Ich gebe zu, dass ich früher über diesen Text nachlässig her gelesen habe.

Ich möchte die Deutung dieser Bibelstelle gern Ihnen/Dir selbst überlassen; und ich denke, dass uns hier etwas vermittelt wird, was wir sonst für selbstverständlich halten. Jeder weiß, dass wir Priester nicht heiraten dürfen, jedenfalls so weit es römisch-katholische Kirchenmitglieder betrifft. Für Orthodoxe, auch für Mitglieder der mit der römischen Kirche geeinten „unierten“ Ostkirchen gilt das Eheverbot nicht, natürlich auch nicht für evangelische Geistliche. Und ich habe überhaupt nicht den Eindruck, dass nichtkatholische Priester weniger „fromm“ sind als katholische. Der Zölibat ist seit etwa 1000 Jahren Pflicht für katholische Priester; es würde hier zu weit führen, alle damaligen – und heutigen! – Begründungen wieder zu geben. Jeder mag sich selbst ein Bild davon machen. Ich wäre jedenfalls glücklich, wenn ich eine Familie mit vielen Aufgaben und Sympathien hätte. Es würde meinen Glauben nicht schwächen, sondern – im Gegenteil – stärken durch Gespräche und viele, auch geistige Gemeinsamkeiten. Viele meiner Kollegen denken natürlich genauso.

Und das andere Verbot, das Verbot von Nahrung, hat ebenfalls viele Hintergründe; manche davon decken sich mit  heutigen negativen Nahrungsbewertungen. Das Fleischverbot am Freitag ist uns allen von Kindheit an vertraut. Auch andere Religionen verlangen z.B. Verzicht auf Schweinefleisch, wie es die Juden tun. Auch dafür gibt es verschiedene Begründungen.

Und was sagt die Bibel dazu? Lesen Sie doch einfach nochmal den Text oben und machen sich selbst dazu ihre Gedanken. Denn das ist jedenfalls für Christen, für alle Menschen nicht verboten: zu denken und nach der  eigenen Erklärung zu suchen.