Sankt Cäcilien in Köln

Erst war ich einigermaßen erschrocken, als ich vor einiger Zeit an der romanischen Kirche Sankt Cäcilia in Köln vorbeikam und an dem ehemaligen, zugemauerten Werstportal dieses Graffito sah. Es ist wohl aus neuester Zeit; denn zur Zeit der Romanik waren Graffiti noch nicht üblich. Und ob das Kunst ist? wird mancher fragen. Aber das ist in diesem Fall wohl nicht das  Entscheidende. Wichtiger ist der Sinn dieser ungewöhnlichen Darstellung, und da habe ich auch lange überlegen müssen.

Es ist wohl kein Gespenst dargestellt, sondern der Tod, ein Skelett, aber das ist ja ganz ähnlich. Der Tod bewacht das Portal der Kirche, aber das Portal ist ja gar nicht mehr, es ist gemauert. Falls der Tod den Zugang zum Ort der Gegenwart Gottes in der Kirche verhindern will, ist sein Versuch unnütz: Der Zugang besteht gar nicht mehr, jedenfalls hier; seine Tätigkeit ist sinnlos. Wäre der Zugang zum Ort Gottes noch geöffnet, stände der Tod hier nicht; denn das widerspräche ja auch seiner Berufung. „Der Tod ist das Tor zum Leben!“ heißt es in einem schönen Wort, aber hier ist der Zugang ja bereits verschlossen.

Ich weiß nicht, ob der Mensch, der das Graffito gemacht hat, diese Deutung hatte. Der Tod ist ja Realität, millionenfach, milliardenfach. Aber jeder Tod, besonders wenn es ein nahe stehender Mensch, vielleicht sogar ein Freund, ein Angehöriger ist, macht erschrocken. Der Tod dauert oft nur einen Augenblick, aber seine Wirkung ist dauerhaft, oft endlos. Jeder kann von solchen Begegnungen mit dem Tod erzählen. Vielleicht wollte der Graffito-Mensch so etwas sagen.

Ich habe in meinem beruflichen Leben Hunderte von Menschen im Tod begleitet oder nach dem Tod beim Begräbnis den Segen zu seinem Weg zu Gott gegeben. Der Tod ist das Tor zum Leben! Ich kann gut verstehen  und zitiere manchmal auch in der Predigt einer Trauerfeier das Wort von dem jüdischen Theologen Eli Wiesel: „Der Tod soll nicht sein!“ Viele Menschen werden dem zustimmen.  Der Tod soll nicht sein, aber er ist eine Realität. Deswegen ist es für uns Christen sehr tröstlich, dass der Tod nicht nur Ende und Untergang ist, sondern der Weg zum Leben.

Und da komme ich wieder auf das Graffito zurück. Der Tod breitet die Arme aus, um den Weg zum Leben zu verhindern, aber sein Versuch ist umsonst: Das Leben ist nicht an dieser Stelle zu suchen, sondern anderswo. Hier ist der Weg verschlossen, aber an anderen Eingängen zu der wunderbaren Kirche ist der Weg, der Zugang weit geöffnet, aber das hat der Tod noch nicht gemerkt.

Ein bisschen Schadenfreude lese ich aus diesem Bild: Der Tod hat noch nicht gemerkt, dass der Auferstandene ihn besiegt hat.