Opferung Isaaks – Darstellung in Verona

Kürzlich hat mich – ein bisschen vorwurfsvoll – ein Mann gefragt, warum ich bei den monatlichen Kirchenportalen noch kein Bild vom schönsten Kirchentor Europas gezeigt habe: von der Kathedrale St. Zeno in Verona. „Das kommt noch,“ habe ich ihm gesagt, und hier ist es. Es war deshalb ein bisschen schwierig, weil ich vor vielen Jahren das Tor selbst fotografiert habe, aber das war kein gutes Foto; deshalb habe ich auf die vielfältige Literatur zurückgegriffen. Ein zweites Problem: Ich konnte mich unter den 50 (!) herrlichen Bronzereliefs so schlecht entscheiden.

Aber jetzt: Das Portal ist von 1168, also reinste Romanik, und es ist gewaltig. Wir kennen den Künstler nicht, aber er war jedenfalls ein großes Genie.

Und diese Darstellung, wie Abraham seinen Sohn Isaak zu opfern bereit ist, ist es allemal. In der Mitte steht Abraham mit einem ganz seltsamen Bart; rechts sitzt Isaak auf einem Holzstoß, links steht ein Widder, der zum „Ersatz-Opfer“ gemacht wird, und oben ein Engel, der die Spitze des Schwertes festhält. Ein paar nette Details: Der Engel hält das vermutlich sehr scharfe Schwert an der Spitze fest, während Abraham das Schwert am Griff hält. Interessant, dass die Flügel des Engels nach vom weisen, anders als die geläufigen Engeldarstellungen; deutet das die Zukunftsperspektive der Geschichte an? Und: Der Holzstoß hat eine eigenartige Gestalt; er hat die Form eines Altars, und das ist ja bei dem Opfer nahe liegend. Fast den gleichen Holzaltar hat übrigens vor einigen Jahren der Holzfachmann Norbert Bußmann für die Dyckburg-Kirche am Rande von Münster geschaffen; wunderbar. Aber eine Generation später wurde der Altar aus der Kirche entfernt; so was kommt tatsächlich vor.

Die Geschichte selbst ist schrecklich, und das Gottesbild ist es auch: Gott verlangt die Schlachtung eines jungen Menschen, und zwar in einem Opferritus; schlimmer geht es nicht. Gott zieht zwar seine Forderung zurück, aber ist es nicht trotzdem schrecklich? Es wäre schrecklich, wenn hier eine Realreportage in eine Geschichte gefasst wäre, aber natürlich ist das in eine Geschichte gefasste hochtheologische Aussage, und die heißt: Gott will auf keinen Fall ein Menschenopfer, auch wenn Abraham zunächst meinte, er könnte mit der Opferung seines Sohnes Gott einen Dienst erweisen. Nein, Gott will eben keine Menschenopfer, wie der Ausgang der Geschichte ja nachdrücklich zeigt.  

Ulrich Zurkuhlen