Zeitdokument.

Manchmal blättere ich in alten Fotoalben, und ich habe viele davon, schon deshalb, weil mich mein Priesterleben in sehr unterschiedliche Ämter und Funktionen gebracht hat. Fotos sind ja festgehaltene Augenblicke, die unsere Erinnerung bereichern und festigen. Es war Goethe, der einmal gesagt hat: „…und möchte zum Augenblicke sagen: Verweile doch, du bist so schön!“ Auch wenn Goethe noch keine Fotos kannte: Es ist doch wahr, dass Fotos schöne „verweilende Augenblicke“ sind.

Das Foto, das ich in meinem Fotoalbum des Jahres 1969 fand, ist historisch. Es wurde Anfang Mai 1969 im Kölner Dom aufgenommen, als Erzbischof Höffner als neuer Kardinal von Rom nach Köln zurückkehrte. Auf dem Foto ist die politische Prominenz Deutschlands zu sehen: Der damalige Bundespräsident Heinrich Lübke beim Einzug; links der damalige Bundeskanzler Georg Kiesinger. Dann sind etwas unscharf im Hintergrund der damalige Ministerpräsident Kühn von Nordrhein-Westfalen und der Kölner Oberbürgermeister Burauen zu sehen; ob ich die Namen alle richtig geschrieben habe, weiß ich nicht sicher. Es ist ja auch schon lange her.

Dann sind die drei wichtigsten Amtsträger der katholischen Kirche Deutschlands zu sehen: Kardinal Döpfner von München, Kardinal Frings, der kurz vorher sein Amt als Erzbischof von Köln an den bisherigen Münsteraner Bischof Joseph Höffner abgegeben hatte, und eben der neue Kardinal Höffner.

Dass auch die drei Sekretäre der drei Kardinäle mit aufs Bild geraten sind, ist purer Zufall, und deswegen bin ich auch dabei, weil ich damals Sekretär von Kardinal Höffner war.

Die Zeit ist lange vorbei. Das Jahr 1969 war ein dramatisches Jahr, direkt nach dem berühmt-berüchtigten Jahr 1968. Damals gab es ja die bekannten Verwerfungen in der Politik, die beiden Politiker Lübke und Kiesinger standen, in ganz unterschiedlicher Weise, auf dem Präsentierteller mit z.T. heftigen Presseattacken.  Dagegen war es in der Kirche noch relativ ruhig, aber auch da gab es erste Aufbrüche, und ich kann mich erinnern, dass Höffner, als er gerade in Köln war, ein langes Streitgespräch mit einer oppositionellen kirchlichen Gruppe führte. Ich glaube ja ohnehin, dass die sechziger Jahre ein Umbruch in der ganzen Welt bewirkten, u.a. auch die Entdeckung der „Dritten Welt“; Präsident Kennedy schicke damals „Friedenscorps“ mit überwiegend jungen Leuten nach Afrika und Lateinamerika; auch die  kirchlichen Hilfswerke etablierten sich für die Hungernden in den Entwicklungsländern, und hier in der deutschen Kirche war ein deutlicher Aufbruch zu spüren.

Die Proteste von Studenten und Schülern wurden damals mächtiger und heftiger; es lohnt sich, alte Berichte aus dieser Zeit zu lesen.

Deswegen ist das Bild ein bedeutendes historisches Dokument aus einer unruhigen Zeit.