Mönche auf Zeit.

Die Krise unserer katholischen Orden ist unübersehbar; das Durchschnittsalter vieler Gemeinschaften liegt zwischen 60 und 70 Jahren; junge Schwestern und Brüder kommen selten noch, und wenn die Gemeinschaften im Seniorenalter sind, ist es natürlich schwierig für einen jungen Menschen, sich in einer solchen Kommunität zurechtzufinden: Nur das Durchschnittsalter zu senken, ist sicher keine Motivation.

Die Ursachen für den rapiden Ordensrückgang sind vielfältig; ganz gewiss liegt es nicht am 2. vatikanischen Konzil, wie manche behaupten; denn das Konzil hat die Ordensgemeinschaften eher aufgewertet. Dabei ist übrigens bemerkenswert, dass der Nachwuchsmangel vor allem in den „tätigen“ Orden; die zumeist im 19. jahrhundert gegründet wurden, zu beobachten sind, während die alten Orden mit ihrer Synthese von Gebet und Arbeit und die „strengen“ Orden eher Zulauf haben. Ich kennen ein Benediktiner-Kloster, indem durchaus junge Novizen eintreten, aber meistens nicht sehr lange bleiben.

Man muss natürlich feststellen, dass früher ein Mädchen, das Krankenschwester oder Seelsorgehelferin oder Kindergärtnerin werden wollte, in einen Orden eintreten musste; außerhalb eines Ordens gab es da in der Regel keine Berufschancen in einem sozialen oder pastoralen Beruf. Ob das immer echte geistliche Berufungen waren, darf man bezweifeln. Ich sehe in dieser beruflichen Veränderung einen Hauptgrund für den Personalmangel in den Orden.

Vor einiger Zeit habe ich eine evangelische Frauen-Kommunität in Norddeutschland besucht. In einem uralten Kloster hatten sich eine Reihe von Witwen oder unverheirateten älteren Frauen zusammengefunden; sie hatten jede ihre eigene schöne Wohnung, aber die Mahlzeiten, zumeist jedenfalls, und die Gebetszeiten waren gemeinsam. Die Frauen gingen verschiedenen Berufstätigkeiten nach oder waren Rentnerinnen und hatten guten Kontakt zu Außenstehenden; eine der Witwen bekam mit schöner Regelmäßigkeit Besuch von ihren zahlreichen Enkelkindern. Wer das zum Teil gemeinsame Leben nicht mehr ertragen konnte, konnte ohne jede Diskriminierung wieder ausscheiden, aber das kommt dort ganz selten vor.

Noch interessanter finde ich, dass in manchen buddhistischen Ländern grundsätzlich alle Knaben – und manchmal auch die Mädchen – eine gewisse Zeit in einem Kloster verbringen; es ist die Schule fürs Leben. Sie tragen Mönchs-Gewänder, lernen viel, betteln ihren Lebensunterhalt zusammen und sind so für das Leben gerüstet, wenn sie nicht für dauernd oder für längere Zeit im Kloster leben wollen. Ein interessantes Projekt, das von manchen christlichen Klöstern als „Kloster auf Zeit“ angeworben wird. Ist es nicht ein faszinierender Gedanke, dass das Klosterleben zu den normalen Lernphasen einer Lebens gehört? Das wird es bei uns nicht geben, auch wenn früher die kirchlichen Internate so etwas Ähnliches im Sinn hatten: Junge Leute durch das gemeinsame Leben auf der Grundlage des christlichen Glaubens auf das Leben vorzubereiten? Viele haben später kirchliche oder soziale Berufe ergriffen, einige sind Priester oder Ordensleute geworden. Und allen hat es ganz gewiss bei ihrem Lebensentwurf genützt, auch denen, die später mit dem christlichen Glauben gebrochen hatten.

Vielleicht sollte man neue Formen des Klosterlebens entwickeln. Kloster auf Zeit, Klosterleben für ältere Menschen, Klostereinübung für junge Leute mit einer gediegenen Lebensausbildung usw. Der Mangel an Ordensnachwuchs ist keine Naturkatastrophe, aber es wäre natürlich hilfreich, dieses uralte, bewährte Lebensmodell mit neuen Perspektiven und Inhalten zu füllen.

Und nicht jedes Gelübte in unserer schnelllebigen Zeit muss unbedingt ewig sein.