Frohe Ferien.

Nun ziehen wieder Scharen von Pilgern und Touristen, von Abenteurern und Sportlern durch Nordspanien, um auf dem uralten Pilgerweg nach Santiago de Compostela zu kommen. Oder richtiger: Auf den zahlreichen Pilgerwegen; denn es gibt eine ganze Reihe von Wegen, die alle nach Santiago führen, der Stadt, die nach „Sankt Jakob“ benannt ist. Viele gehen den ganzen Weg zu Fuß, andere gehen ihn in jährlich wechselnden Etappen, wieder andere fahren einige Strecken mit dem Bus und gehen zu Fuß auf den schönsten Strecken des Weges.

Zu Letzteren gehöre ich: Ich werde mit 40 Mitreisenden den Weg nach Santiago fahren und gehen und am Jakobustag, dem 25. Juli, in Santiago de Compostela sein, wo den ganzen Tag – und die Nächte vorher und nachher – ein tolles Fest läuft. ES gibt unzählige Bilder des Jakobus, zum Beispiel das von Sieger Köder, das einen ziemlich finster blickenden Jakobus. Und Bücher gibt es in unübersehbarer Menge: das Buch „Ich bin dann mal weg“ von Harpe Kerkeling, ein Bestseller, der von vielen Menschen gelesen ist. Mir persönlich gefällt noch besser das Buch von Felix Bernhard „Dem eigenen Leben auf der Spur; der querschnittsgelähmte junge Mann ist mit dem Rollstuhl auf der Via de la Plata von Sevilla nach Santiago gefahren und hat dabei ganz tiefe, auch religiöse Erkenntnisse gewonnen. Unter den alten, z.T. aus dem Mittelalter stammenden Berichten gefällt mit besonders das Buch von Barret/Gurgand „Unterwegs nach Santiago“, wo viele köstliche, aber auch ergreifende Geschichten über den Weg in thematischer Ordnung dem Leser Freude machen.

Jakobus war einer der zwölf Apostel, nicht zu verwechseln mit einem anderen Apostel gleichen Namens. „Unser“ Jakobus war J. der Ältere, war ein Bruder des Johannes und ein Sohn des Zebedäus; wohl wegen ihres Temperaments wurden sie mit dem Spitznamen „Donnersöhne“ genannt. Dass Jakobus zu dem engsten Kreis der Apostel gehörte, wissen wir aus der Bibel. Aber sonst wissen wir historisch nicht sehr viel; wohl, dass er den Märtyrertod gestorben ist.

Alles andere kennt man aus der wunderbaren mittelalterlichen Legendensammlung des Jakobus de Veragine. Demnach ist der Apostel zunächst auf dem Berg Sinai begraben später wurde sein Leichnam vor den Sarazenen-Einfällen nach Spanien gebracht. Die Legende sagt, seine Jünger hätten ihn einem Schiff anvertraut, und dies sei nach langer Fahrt an der Küste Galiziens gelandet, und zwar in dem Städtchen Padron, das Pilger heute als Krönung ihrer Pilgerreise gern aufsuchen. Weiter sagt die Legende, man habe den Leichnam auf einen Ochsenkarren geladen, und die Ochsen seien stehen geblieben an einer Stelle, an der man dann das Grab für den Apostel-Leichnam herrichtete; das sei im Jahr 825 gewesen. An dieser Stelle wurde später die herrliche Kathedrale in mehreren Bauabschnitten gebaut; dort werden die Reliquien des Heiligen heute verehrt, und am 25. Juli ganz besonders, u.a. dadurch, dass ein riesiges Weihrauchfass in der Kathedrale hin- und her schenkt; das geht wohl auf eine alte Tradition zurück, nach der die Pilger – ungewaschen wie sie waren – auf der Empore übernachteten; der Weihrauch diente der Desinfektion und der Geruchsverbesserung; das ist heute wohl nicht mehr nötig, aber dennoch sehr imposant und spektakulär.

Wichtig ist, jenseits von Historie und Legende, dass Menschen hierhin kommen und nach langem, mühsamen Weg hier ein Ziel finden. Ist das nicht unser Leben? Wir gehen viele mühsame Wege, manchmal sind es auch Umwege und Irrwege. Aber zu wissen, dass man ans Ziel kommt, ist tröstlich und weckt Hoffnung. Die Wallfahrt ist so etwa wie das sakramentale Nachspiel solcher Lebenswirklichkeit. Und noch eins ist ganz wichtig: Man geht den mühsamen Weg nicht allein, sondern in Gemeinschaft, das macht den Weg, das Leben leichter; man spricht miteinander, lässt auch gern ein bisschen tiefer in seine Seele blicken und macht Paus in den wunderbaren kleinen Kirchen am Weg, wo der Atem der Ewigkeit spürbar ist. Viele Menschen sind auf diesem Weg auch wieder zu zaghaften Betern geworden. Und niemanden lässt der Weg völlig unbeteiligt und kalt, nicht zuletzt, weil in diesen Wochen in Galizien des Thermometer schon mal auf 40 Grad klettern kann.

Übrigens weiß man gar nicht ganz genau, ob Jakobus hier tatsächlich begraben liegt; aber ist das so wichtig?

Ich freue mich jedenfalls auf den Weg und vor allem auf das Ziel.