Schwarz und Weiß

Manchmal hat Gott sich, so scheint es, im Reichtum seiner Schöpfung den einen oder anderen Scherz erlaubt, z.B. beim Känguruh, dass sein Junges in einer Beuteltasche mit sich trägt und seltsame große Sprünge macht. Oder bei den vielen Arten von Affen, die ja nicht selten eine gewisse Ähnlichkeit zum Menschen zeigen. Die Schöpfung Gottes ist geradezu ein Tummelplatz ungewöhnlicher Arten. Und die Frage ist ja ohnehin berechtigt, warum es eine so ungeheuer große Zahl verschiedener Arten gibt, wo doch schon einige wenige genügt hätten. Aber so ist es eben: Gottes Schöpfung fragt nicht zuerst nach Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit, sondern nach Reichtum und Vielfalt.

Auch das Zebra steht in der langen Reihe origineller, ungewöhnlicher Tierarten. Es gehört zur Gattung der Wildpferde, lebt in den Savannen Afrikas, etwa zwischen Äthiopien und Südafrika, und ernährt sich von Pflanzen, besonders von Gras, aber auch von Blättern und Baumrinden. Es wird drei Meter lang und hat eine Schulterhöhe von etwa 1.60 m. Nach einer Tragzeit von einem Jahr gebären die weiblichen Zebras ein Junges.

Das schwarz-weiße Zebra vereint in seinem gestreiften Fell die größtmöglichen Gegensätze, die man sich denken kann. Die Farbe „schwarz“ steht für Dunkelheit und Trauer. Schwarz steht im Märchen für das Unheimlich und das Böse. Schwarz ist aber auch die Farbe festlicher Feierlichkeit, deswegen tragen Männer wie Frauen bei großen Festen gern die feierliche schwarze Farbe. Und eine Modefarbe ist „schwarz“ allemal. Die schwarze Farbe steht aber auch für die „dunkle Seite Gottes“, also für das Geheimnisvolle und nicht Entschlüsselbare, für die letzten, dunklen Rätsel des Lebens. Schwarz ist unheimlich.

„Weiß“ ist im Gegensatz dazu die Farbe der Freude und des Lichtes; deshalb sind die Taufkleider der Täuflinge und die Hochzeitskleider der Bräute weiß. Weiß ist der unberührte Schnee, weiß ist die Gischt in der Meeresbrandung, weiß sind die Schneeglöckchen und die Lilien. „Weiß“ steht für Unschuld und Neuanfang, deswegen sind alle unbeschriebenen Blätter weiß. „Weiß“ ist die Farbe des liebevollen, guten Gottes. „Weiß“ steht auch für Hochfeste und Freudenmähler. Deshalb ist die liturgische Farbe an den Hochfesten Weihnachten und Ostern weiß.

„Weiß“ ist übrigens, wenn man es genau nimmt, überhaupt keine Farbe, sondern die Summe aller Farben des Regenbogens. Wenn man auf eine runde Scheibe die sieben Farben des Regenbogens aufmalt in unterschiedlicher Stärke, je nach ihrer Leuchtkraft, und die Scheibe dann sehr schnell dreht, verlaufen die Farben optisch zur Farbe „weiß“.

„Weiß“ steht für Tag und Helligkeit, während „schwarz“ für die Nacht steht: Dunkel und Licht, Tag und Nacht, Freude und Trauer, Gut und Böse sind in der seltsamen Fell-Zeichnung des Zebras enthalten.

Es ist übrigens eine uralte Frage, ob das Zebra schwarze Streifen auf weißem Grund hat oder umgekehrt. Auf den ersten Blick ist die Grundfarbe weiß, und die Streifen sind schwarz. Wenn man aber den Kopf des Zebras betrachtet, kann man auch zu der gegenteiligen Meinung kommen: Grundfarbe schwarz, Streifen weiß. Wir werden das Problem nicht lösen können; lassen wir es also dabei.

Ulrich Zurkuhlen (Juni 2003)