Caravaggio „Berufung des Matthäus“

In der Münsteraner Ludgeri-Kirche, wenige Meter von meiner Wohnung entfernt, fand ich die Pfarrnachrichten der Lamberti-Pfarre, zu der St. Ludgeri gehört. Die Ludgeri-Kirche ist mir sehr vertraut, weil sie bis zur Bombadierung 1944 die Pfarrkirche unserer Familie war, und mein Großvater war im Kirchenvorstand. Aber darum geht es heute nicht, vielleicht später. Seit 2008 bin ich also wieder Mitglied meiner „Heimatkirche“.

In dem Pfarrbrief war das wunderbare, nicht unbekannte Bild “ Berufung des Matthäus“ meines Lieblingsmalers Caravaggio abgedruckt, das 1599/1600 entstanden ist. Wer Rom kennt, weiß, dass das Originial des Bildes in der Kirche San Luigi di Francesci ( der „Französischen Kirche“) zu sehen ist, nur wenige Schritte von der Piazza Navona entfernt, wo es wohl jeden Touristen hinzieht. Auf meinen 14 Rom(pilger)fahrten habe ich fast immer dieses Bild bewundert, übrigens ganz in der Nähe des ebenfalls von Caravaggio gemalten Bildes “ Das Martyrium des heiligen Matthäus“ aus demselben Jahr.

Und wo ist auf dem Bild die Zollstätte, an der Jesus den Zöllner Matthäus berufen hat, wie es die Bibel erzählt? Nirgendwo! Sondern Caravaggio verlegt das Ereignis in eine römische Kneipe. Ist das falsch? Nein, das finde ich nicht, sondern der Maler macht damit einen geradezu pastoralen Sprung: Die meisten Menschen, die das Bild damals bewunderten, hatten noch nie eine Zollstelle gesehen. Also verlegte er die Geschichte in eine vertraute Umgebung. Da sitzt nun der junge Matthäus in einer Taverne, die den Männern zum Saufen und Spielen diente. Matthäus ist einer der Jüngsten der Gruppe, und er ist äußerst elegant, so dass man ihn nicht übersehen kann. Sein Gesicht drückt Erstaunen aus, und die anderen scheinen erstaunt zu fragen: „Bin ich etwa gemeint?“, z. B. der Mann, der Matthäus‘ Großvater sein könnte. Auch der vordere Mann scheint ähnlich zu reagieren. Und Jesus? Er steht rechts im Bild und zeigt auf Matthäus mit einer Geste, die ein wenig an die Sixtinische Kapelle erinnert.

Die Aussage des Bildes: Gottes Wunder lassen sich mit dem alltäglichen Leben der Menschen gut vereinbaren. Oder noch stärker: Wenn Jesus einen Menschen in seinen Dienst beruft, muss er nicht irgendein Tamtam machen, sondern geht dorthin, wo die Menschen sind.

Bild und Aussage sind nicht überall auf Begeisterung gestoßen. Viele, gerade auch innerkirchlich, haben das Bild abgelehnt. – Und ich und viele andere sind begeistert. Sie auch?