Biblische Schöpfungsgeschichte: Hauptportal Würzburger Dom

Sie erinnern sich: Die Sammlung der Kirchenportale ist gewaltig, völlig unterschiedliche Künstler haben daran gearbeitet und zu ganz verschiedenen zeitlichen Epochen. Wir haben Kirchenportale aus Antike, Mittelalter und neuzeitlicher Kunstrichtung gezeigt; Sie werden sich erinnern. Wenn ich Ihnen heute das Hauptportal des Würzburger Domes zeige, werden Sie wahrscheinlich etwas Probleme haben, diese Tür kunsthistorisch und theologisch einzuordnen. Das Würzburger Hauptportal ist in den Jahren 1964 bis 1967 geschaffen, und zwar von dem bedeutenden Künstler der damaligen Zeit, Fritz Koenig. Das Thema der Tür ist die „Schöpfungsgeschichte“, also die ersten beiden Kapitel des Alten Testamentes: Genesis 1 und 2. Dass man sich mit dem herrlichen Portal länger deutend beschäftigen muss, ist klar. Was wird denn da gezeigt? Ganz einfach: Oben die Hand des Schöpfers, die Wasser und Erde voneinander trennt. Auf dem linken Teil des Portals sieht man die Erschaffung der Gestirne, von Mensch und Tier und Vegetation. Rechts: Der Mensch im Paradies; die vier Flüsse. Adam und Eva unter dem Baum der Erkenntnis; die Schlange, die ja in der Geschichte eine zentrale Rolle spielt.Unten: Vertreibung aus dem Paradies. Ist das alles?

Nein, in keiner Weise. Ich darf eher beiläufig daran erinnern, dass die jüdischen Autoren – und überhaupt die orientalischen Theologen eine theologische Wahrheit nicht in historischen Dimensionen erzählt haben, sondern als Erzählungen, also mit völlig anderen theologischen Verkündigungsaussagen als wir heute: „narrative“ Theologie nannte man das, also theologische Verkündigung in erzählender Weise. Und das wird bei unserer (Schöpfungs)geschichte besonders deutlich. Und jetzt muss ich an meine Reise nach Israel erinnern, im Jahr 1978, meine letzte Reise mit dem Flugzeug, als ich meine Flugangst überwinden konnte, anders als heute. Wir hatten einen hervorragenden Reiseführer: ein Jude, der in Recklinghausen geboren und mit 16 Jahren aus einem KZ geflohen war. Er war jetzt Volksschullehrer in Israel, machte jetzt sein Sabbatjahr und war ein wunderbarer Gesprächspartner. Er führte uns in die Wüste Ber-Sheba zu einem Steinkreis und sagte: „Stellen Sie sich vor:Hier machte ein Nomadenstamm Rast, und man erzählte sich die Schöpfungsgeschichte, und zwar von der Schöpfung in sechs Tagen und der Ruhe am Sabbat. Da kam plötzlich ein anderer Nomadenstamm, setzte sich dazu und hörte zu. Und da sagten sie: „Komisch! Wir kennen die Schöpfungsgeschichte ganz anders.“ und sie erzählten von der Erschaffung des ersten Menschenpaares, vom Sündenfall und von der Vertreibung aus dem Paradies . Zwei völlig verschiedene Erzählungen von der Schöpfung, aber mit der gleichen Grundtendenz: Gott ist der Schöpfer von allem, aber die Menschen, dumm wie sie waren, haben das nicht kapiert.

Wir haben uns damit den völlig verschiedenen Schöpfungstheologien angenähert; beide zusammen bilden das Ganze!

Kommen wir noch kurz zu unserem großartigen jüdischen Reiseführer zurück. Ich hatte ihn unterwegs gefragt, wann ein Mensch eigentlich ein Jude sei. Damals hatte gerade eine bekannte Filmschauspielerin aus Amerika vom Christentum zum Judentum konvertiert. Auf meine Frage sagte er nur: „Das werde ich Ihnen später erklären.“ Wenige Tage später sagte ich ihm: „Sie sind mir noch eine Antwort schuldig!“ Er antwortete: „Ja, später.“ Ich habe ihn nicht mehr gefragt. Aber als wir in Haifa das Flugzeug zum Rückflug bestiegen, gab er mir ein Kuvert und sagte: „Das ist die Antwort auf Ihre Frage, aber öffnen Sie den Umschlag erst in der Luft.“ Das habe ich getan. Und dann las ich, mit wundervollen Grüßen. „Jude ist der, der sich mit der Kultur des jüdischen Volkes identifiziert, nicht mit dem Glauben.“ Das war die Antwort. Ich hätte mit ihm noch gern diskutiert, aber das ging ja nicht: Ich war in der Luft und er am Boden.