Erweckung des Lazarus

Hildegard Bienen. Sie lebte von 1925 bis 1990.Sie war eine der großartigsten Kirchenkünstlerinnen der Neuzeit. Ihre Bronzeportale, Figuren, Taufbecken, Altäre usw. sind grandios und sowohl künstlerisch als auch theologisch von höchster Qualität. Ich habe an dieser Stelle schon vor einigen Jahren die Kirchenportale von St. Paul in Bocholt gezeigt, dort hat sie auch andere Kunstwerke geschaffen, auch das wohl schönste Kirchenfenster ihrer Kreativität; wir werden darauf gleich zurückkommen. Sie ist 1990 gestorben und auf dem Friedhof in Marienthal bei Wesel, wo sie die letzte Zeit ihres kreativen Lebens verbracht hat. Dort ist sie auch bestattet, ein sehr schönes Grabdenkmal steht auf ihrem Grab, von wem geschaffen? Na, ist doch klar!

Das Kirchenfenster in Bocholt St.Paul zeigt ein ganz wichtiges Inhaltliches Thema der Bibel, und zwar aus der Apokalypse des Johannes. Im Zentrum ist das Lamm, also die gestaltgewordene Wirklichkeit des gestorbenen und auferstandenen Christus aus dem 5. Kapitel der Apokalypse: das Lamm, die Ältesten, die vier Lebewesen usw. Und aus dem vorletzten, dem 21. Kapitel stammt das Bild von den zwölf Toren des neuen Jerusalem, das von Gott herniederkommt. Es ist nicht ganz einfach, die Apokalypse zu verstehen, aber man sollte sie mal in Ruhe lesen. Und das Fenster von Hildegard Bienens wird eine gute Erklärung zur wunderbaren endzeitlichen Zukunft der Welt sein.

Auf dem Portal der Friedhofskapelle in Marienthal, also dort, wo sie selbst begraben ist, hat Hildegard Bienen noch einmal das Bild des Lammes Christus und der zwölf Tore des neuen Jerusalem übernommen, nicht so gewaltig wie das Fenster in Bocholt, aber eine unübersehbare Übernahme des biblischen Motivs. Das ist auf einer unübersehbaren freien Fläche der Kern der Darstellung.

Aber dann sieht man das eigentliche biblische Motiv dieser Darstellung: die Auferweckung des Lazarus. Links unten ist dargestellt, wie die beiden Lazarus-Schwestern mit Jesus sprechen.Die trauernden Schwestern machen Jesus Vorwürfe: „Wärest du hier gewesen, wäre mein Bruder nicht gestorben.“ Und wie reagiert Jesus darauf? Er weint! Zweimal in den gesamten Evangelien wird vom weinenden Jesus erzählt, u.a. hier. Aber Jesus handelt! Er erhört das Bitten der Frauen. Das ist eine sehr wichtige Einzelheit der Geschichte: Jesus erfüllt das Gebet der Bittenden.

Aber es bleibt nicht dabei, sondern der Weg geht „nach oben“, zur Auferweckung. Bibel und Darstellung lassen uns zeigen, wie Jesus in das Grab des toten Lazarus – der sich schon im Zustand der Verwesung befindet! – hineinruft und Lazarus zum Aufstehen ermahnt. Und Lazarus steht auf! Klar, dass hier bereits ein Vorspiel der Auferstehung Jesu erzählt wird. Viele Menschen, wohl die beiden Schwestern und die Jünger, erleben dieses Wunder Jesu, das ein Selbstzeugnis Jesu ist.

Ich finde dieses Tor wunderbar tiefsinnig.