Orthodoxer Gottesdienst

Die Gottesdienste, abwechselnd katholisch und evangelisch, am Sonntagmorgen im ZDF sind meistens recht eindrucksvoll. Vor einer Woche war ausnahmsweise ein orthodoxer Gottesdienst aus Berlin. Da wurden bei mir einige Erinnerungen wach:

Als ich Theologiestudent in Münster im Borromäum war, hatten wir einen „Slavenchor“, also einen Chor mit vierstimmigen Gesängen aus der russisch-orthodoxen Liturgie: Wir waren jung und stimmgewaltig unter Leitung des heutigen Domkapitulars Theo Buckstegen. Das war 1961. Wir haben u.a. eine Liturgie-Reise in den Oldenburgischen Teil unseres Bistums gemacht und haben jeden Abend unter der liturgischen Leitung von Pfarrer Kopzcansky, einem serbischen Priester, den ostkirchlichen Gottesdienst mit der jeweiligen Gemeinde gefeiert, auch in der Kapelle der Jugendstrafanstalt Vechta. Dort gab es ein kleines Problem: Am Ende der Liturgie singt der Chor „Mno gaja lijta“, das heißt übersetzt „Noch viele Jahre“, was natürlich im Jugendgefängnis nicht ganz passend war. Unser Sprecher Hermann Steinkamp hat das damals gut umschifft und gesagt: „Das ist wie in unserer Liturgie das „Deo gratias“ = „Dank sei Gott.“ Übrigens durfte ich immer als Tenor-Solist das Glaubensbekenntnis „Wjeruju“ singen, während der Chor im Hintergrund vierstimmig untermalte. Starke Erinnerung!

Als wir Schüler in den Osterferien 1956 unter Leitung des Jugendseelsorgers P.Clemente Pereira SJ mit einem Schülersonderzug nach Rom fuhren, riet uns unser Religionslehrer, in der Osternacht nicht zum Petersdom, sondern zum Collegium Russicum zu gehen; da sei die stärkste Osterliturgie. Er hatte recht, und ich denke heute noch oft daran. Es begann um 22 Uhr mit dem Gesang der Apostelgeschichte, und um 0, 00 Uhr begann die eigentliche Liturgie mit dem gewaltigen russischen Ruf „Christus ist auferstanden – Ja, er ist wirklich auferstanden“. Es dauerte bis 6.00 Uhr, kein Zeichen von Müdigkeit. Als wir aus der Kirche kamen, rief uns eine Schar italienischer Soldaten zu: „Buona pascha!“ Gute Ostern!

Ich denke auch an zwei herrliche Fahrten mit jeweils acht Schülern, erst von der Loburg, später aus Bocholt. Zwei wunderbare Erlebnisse, in denen uns die Landschaft, die zwanzig Klöster, die tollen Gespräche und natürlich die orthodox en Liturgien in Erinnerung geblieben sind.

Und dann denke ich an eine ostkirchliche Karwoche in Bad Homburg. Dort habe ich zusammen mit einem Kollegen im Kloster gewohnt. Es waren schöne Tage. Nur war ich ein wenig irritiert, als mir der orthodoxe Mönch die Kommunion verweigerte, weil er wohl gesehen hatte, dass ich nicht das ostkirchliche Kreuzzeichen gemacht hatte, sondern das westkirchliche, das bekanntlich umgekehrt ist. Ich verzeihe ihm!

Ulrich Zurkuhlen