Die Bibeltür am Grossmünster zu Zürich
Das Grossmünster in Zürich ist wohl die bekannteste evangelische Kirche der Schweiz; seine Fundamente gehen auf die karolingische Zeit zurück. Der heutige Bau ist aus dem 11. und 13. Jahrhundert. Hier hat der Reformator Huldrych (Ulrich) Zwingli seit 1519 (!) gewirkt bis zu seinem Tod. Nicht Luther ist ja der Reformator der Schweiz, sondern Zwingli. Für ihn war nur die Bibel maßgebend, deshalb sind am Grossmünster die Bibeltür und die Zwinglitür. Die Bibeltür, um die es uns jetzt geht, besteht aus 42 einzelnen Bronzereliefs, die der Künstler Otto Münch (1885 – 1965) im Jahr 1950 geschaffen hat.
Die Tafeln sind genau geordnet: Zehn Tafeln für die Zehn Gebote und zwar in der Fassung des Alten Testaments, also nicht in unserer späteren nachbiblischen Fassung: Das zweite Gebot lautet: „Du sollst dir kein Gottesbild machen!“ Dann ist unser viertes Gebot (Vater und Mutter) auf der Tür das fünfte, unser sechstes Gebot ist biblisch erst das siebte.
Dann: Zwölf Tafeln für das Glaubensbekenntnis, sechs für das Vaterunser, vier Tafeln für die Frauen (!) im Stammbaum Jesu und zehn Schrifttafeln mit Bibelworten. Blicken Sie jetzt doch, vielleicht mit einer Lupe, auf das Bild der Tür: In der obersten Reihe stehen rechts und links die beiden Bibelworte, die mit „Im Anfang…“ beginnen: „Im Anfang schuf Gott…“ und „Im Anfang war das Wort…“ Die zehn Gebote füllen die beiden oberen Reihen, jeweils mit einer biblischen Szene, was sehr ungewöhnlich ist, z.B. zum 2. Gebot „Du sollst dir kein Gottesbild machen!“ die Szene mit dem Goldenen Kalb. Die anderen acht Texttafeln umfassen Worte aus der Bibel. Weiter: Links und rechts der Mitte sind in drei Reihen die zwölf Bildtafeln zum Glaubensbekenntnis, jeweils durch eine Bibelgeschichte illustriert, z.B. beim Bekenntnis zu Jesu Tod die Geschichte von der „Ehernen Schlange“ usw. Die sechs Bildtafeln auf der zweituntersten Reihe sind die biblischen Illustrationen zum Vaterunser, z.B. die zweite Tafeln von links: „Dein Reich komme!“, dargestellt Jesu Einzug in Jerusalem. Die vier untersten Tafeln sind also die vier Frauen im Stammbaum Jesu: die Dirne Rahab, die fromme Ruth, die von David verführte Bathseba und Maria, die Mutter Jesu. Ich finde, dass diese vier Frauen eine sehr bemerkenswerte Zusammenstellung sind.
Ich kenne kein Kirchentor, das die Grundaussagen des Christlichen so hervorragend durch Bronzereliefs dargestellt und durch passende Bibeltexte erläutert sind. Besser geht es nicht! Und sehr pädagogisch (Religionsunterricht!) ist das alles auch!
Bildnachweis: Roland zh, Artix Kreiger