Worte und Brote.
Ein Kollege hat mir schon vor längerer Zeit diese Karte aus der St.Lorenz-Kirche in Nürnberg geschickt, weil er weiß, dass ich für solche Fenstermotive eine Schwäche haben; in der Regel sind solche Karten mit dichter Theologie umgeben. Das gilt auch für das Glasfenster, aus dem dieses Motiv ein relativ kleines Detail ist .Das Fenster ist ein Teikl des „Schlüsselfelderfensters“ aus dem Jahr 1481.
Auf dem Fensterbild sieht man vier Gestalten, die Mönchskleider tragen; da das Bildmotiv des gesamten Fensters aus der Offenbarung des Johannes stammt,sind dies wohl die „vier Wesen“, die wir gewöhnlich mit den vier Evangelisten gleichstellen. Das ist logisch, weil über diesem Motiv in dem Fenster auch der „Hochbetagte“ auf dem göttlichen Thron abgebildet ist. Darunter ist die Verkündigungsgeschichte, in der Maria vom Engel die Botschaft empfängt; es ist gleichsam das Bindeglied von Göttlichem und Menschlichem. Darunter eben die Symbole der vier Evangelisten:Matthäus als Mensch, Markus als Löwe, Lukas als Stier und Johannes als Adler; diese vier kann man oft an Kanzeln sehen; sie sind diejenigen, die das Wort Jesu Christi authentisch den Menschen gesagt haben, ihre Evangelien sind dichteste Sammlungen der Verkündigung Jesu.
Seltsam: Sie tragen keineswegs Bücher, in denen das Wort Gottes zu finden wäre, sondern Körbe mit Hostien; das ist uns ja aus der Messe bekannt, dass bei der Kommunion die Hostien ausgeteilt werden. Aber hier werden die Hostien nicht verteilt, sondernin eine Mühle getan, wo sie ganz fein gemahlen werden.
Offenbar wollte der Künstler darauf hinweisen, dass Wort und Brot, also Evangelium und Hostien, nicht voneinander zu trennen sind. Was die Evangelisten den Menschen geben, ist Wort und Lebensbrot in einem für das Heil der Menschen.
In der katholischen Kirche hat es relativ lange gedauert, eigentlich bis zum 2. Vatikanischen Konzil, dass die Christen die Wortbotschaft der Bibel angenommen haben, ja dass die Botschaft des Wortes gleichrangig neben dem Brot des Lebens steht. Das ist in einzigartiger Weise in der Heilig-Geist-Kirche in Emmerich dargestellt, wo der Altardes Wortes und der Altar des Brotes gleich groß nebeneinander stehen, und die Achse der Kirche läuft zwischen diesen beiden „Tischen“ hindurch.
Das haben wir übrigens versucht, als wir in der Dyckburg-Kirche Anfang der neunziger Jahredes vorigen Jahrhunderts Altar und Ambo, also Ort der Eucharistie und Ort der Wortver kündigung, gleich groß aus gleichem Material gemacht habendank der Genialität von Norbert Bußmann, der beides aus einzelnen Holzstäben zusammengesetzt hat: Einheit in der Vielheit. Beide, Altar und Ambo, haben wir gleichermaßen zentral in den Mittelraum der Kirche gestellt. Gerade evangelische Christen haben uns oft gesagt, dass sie es gut fänden, wenn der Ort der Wortverkündigung so zentral aufgestellt sei.
Leider ist bei der Renovierung der Kirche vor einem Jahr beides entfernt worden.Inder Mitte steht wieder ein Tisch, der eine schlechte Kopie eines Altars im Würzburger Käppele Ende der siebziger Jahr hergestellt wurde; und der Ort der Wortverkündigung ist ein unscheinbares Pult an der Seite;von Verbindung der beiden Liturgie-Zeichen nicht die Spur. Dabei hätte es doch die Verkündigung des Gotteswortes, auch in eigenen Wortgottesdiensten, doch verdient, ebenso großes Gewicht zu haben wie die Feier von Brot und Wein.
Gut; dass wir in den letzten Jahren den Wert des Gotteswortes im öffentlichen Raum der Kirche und im privaten Bibellesen wieder entdeckt haben.