Erwachsener Jesus.

Anders als früher, als das Fest Mariä Lichtmess am 2. Februar das Ende der Weihnachtszeit war, endet die Weihnachtszeit jetzt mit dem Fest der Taufe Jesu, in diesem Jahr am 11. Januar. Für Leute, bei denen die Weihnachtszeit mit dem Abend des 24. Dezember beginnt, sind das also etwas mehr als zwei Wochen. Für Leute, bei denen die Weihnachtszeit bereits im September beginnt, ist das dann eine endlos lange Zeit. Ein Verkäufer in einem Spielwaren-Laden sagte mir vor einigen Jahren, ihm wäre es am liebsten, wenn die Weihnachtszeit Anfang Dezember enden würde; dann hätte er den Weihnachtsrummel und die Weihnachtslieder satt.

Jetzt also die Taufe Jesu. Es ist ja erstaunlich, wie schnell Jesus erwachsen wird. Natürlich wüssten wir gern, was Jesus zwischen seinem 14. und seinem 30. Lebensjahr gemacht hat; wo er gelebt hat; wer seine Lehrer waren, aber darüber lässt uns das Evangelium vollkommen im Unklaren. Aber in diesem weltfernen Kaff Nazareth wird er bestimmt nicht die ganze Zeit gewesen sein. Aber mit der Taufe geht er in die Öffentlichkeit. Natürlich empfängt er nicht die christliche Taufe – die gab es erst nach Jesus -, sondern eine jüdische Bußtaufe, wie sie im Judentum, ganz besonders aber in der strengen jüdischen Essener-Sekte praktiziert wurde. Johannes gehörte wahrscheinlich zu dieser jüdischen Gruppe, die Taufstelle im Jordan ist in Sichtweite des essenischen Klosters Qumran oberhalb des Toten Meeres. Sicher wird Jesus auch schon vorher gewusst haben, dass er den geliebte Sohn Gottes ist, aber die Stimme bei Jesu Taufe bekräftigt dieses Wissen. Jesus ist Gottes geliebter Sohn.

Die Geschichte von der Taufe Jesu im Jordan ist hundertfach gemalt und aus dem Stein gehauen worden. Berühmt ist die Taufdarstellung auf einem Mosaik in Ravenna, berühmt ist auch das Bild von der Taufe Jesu auf dem Taufstein von Freckenhorst.. Im Jahr 1129 wurde der Taufstein mit den sieben Bildern aus dem Neuen Testament von einem unbekannten Künstler geschaffen, und zwar aus einem einzigen Steinblock. Kenner sagen, dass der Taufstein von Freckenhorst neben dem wunderbaren romanischen Kreuz auf der Burg Bentheim und der Kreuzabnahme an den Externsteinen das berühmteste Kunstwerk der romanischen Zeit in Norddeutschland ist.

Das Seltsame bei den romanischen Tauf-Bildern ist, dass Jesus von dem Wasser des Jordan wie von einem Rock bekleidet ist. Das Taufwasser ist gleichsam wie ein kostbares Gewand. Oder wollte der Künstler andeuten, dass Jesus „das lebendige Wasser“ ist, aus dem die Taufgnade heraus fließt? Ein Engel hält sein Gewand, der Heilige Geist kommt auf Jesus herab, und Johannes vollzieht die Taufe, indem er Jesus das Wasser über den Kopf gießt, so wie es bis heute bei der christlichen Taufe gemacht wird. Das Taufen durch Untertauchen im Taufwasser ist dagegen heute ziemlich ungewöhnlich, in der orthodoxen Kirche aber wird die Taufe durch Untertauchen immer praktiziert.

Manchmal gibt es seltsame Auffassungen über die Taufe. Die Mutter eines Täuflings hat mich beim Taufgespräch gefragt, ob das denn wirklich nötig sei, dass das Kind mit Wasser übergossen werde. Möglicherweise war sie der Meinung, ihr Liebling würde mit Champagner getauft, wie sie es vielleicht bei einer „Schiffstaufe“, die natürlich nichts mit einer Taufe zu tun hat, gesehen hat.

Dagegen erinnere ich mich, dass vor einigen Jahren bei einer Taufe das Baby mit beiden Händen in das Wasser des Taufbrunnens patsche und dabei quiekte vor Vergnügen; vielleicht ahnte es etwas von dem Wert seines Getauft-Werdens. Andere Babys gucken ein wenig ängstlich, aber da im Winter das Taufwasser in der Regel angewärmt wird, besteht weder für die Verwandtschaft noch für den Täufling ein Grund zur Panik.

Auf jeden Fall gehört die Taufe zu den schönsten Riten im christlichen Jahresablauf, vielleicht, weil schon die kleinen Kinder dem Beispiel Jesu folgen dürfen, der sich in der Taufe mit dem liebevollen Gott fest verbunden wusste.