Mein Name ist Hase!
Zugegeben: Das Bild ist ein bisschen seltsam. Ich fand es zufällig in einem Shop in Süddeutschland. Der Name des Künstlers Michael Sowa sagt mir nichts, aber vielleicht habe ich da eine Bildungslücke. Die Atmosphäre des Bildes ist seltsam distanziert, eigentlich sogar ein bisschen unheimlich. Alle sind sprachlos, obwohl doch die Aufgabe einer Bestellung im Restaurant in der Regel ein Dialog ist. Schließlich sagt man ja einige Worte, wenn man etwas bestellt; oder stellt Rückfragen. Und der Ober wird, wenn er die Bestellung aufnimmt, wahrscheinlich das eine oder andere Wort sagen. Alle gucken, aber niemand sagt etwas, aber der Ober hat einen Block in der Hand. Der Knabe links blickt ein bisschen ängstlich; hat er Angst vor der massigen Gestalt des Oberkellners?
Am seltsamsten aber ist, dass ein Haase mit am Tisch sitzt. ER sieht nicht aus, wie Hasen sonst, sondern er ist ganz schick gekleidet und sitzt da, als ob er dazu gehörte; er ist ein Teil der Familie.
Wegen des Hasen habe ich das Bild gekauft, wegen Ostern. Denn wenn man in diesen Tagen und Wochen einen Hasen sieht, denkt man an den Osterhasen. Der Hase ist das bekannteste Symbol von Ostern. Neulich habe ich gelesen, dass sich in manchen entchristlichten Gegenden unseres Landes die Kinder die Weihnachtsgeschenke vom Weihnachtsmann und die Ostereier vom Osterhasen wünschen. Wie anspruchslos doch manche Leute sind – und wie naiv. Denn genauso wenig, wie es Weihnachtsmänner gibt, außer in der Werbung von CocaCola, gibt es Osterhasen, die mit der Kiepe herum laufen und bunte Eier verstecken, die die Hasen selbst bunt angemalt haben. Es ist vielleicht ein ganz nettes Märchen, aber das ist auch schon alles.
Aber wie kommt es eigentlich zum Osterhasen? Da gibt es verschiedene Deutungen. Einige Leute sagen, der Hase sei ein Frühlingstier; während im Winter die Hasen in Höhlen oder Erdlöchern leben, soweit sie die Herbstjagden lebend überstanden haben, kommen sie im Frühling aus ihren Löchern heraus. Ob das dann ein besonders geistreiches Symbol für die österliche Auferstehung Jesu ist, darüber lässt sich trefflich streiten. Auch das Osterei, bei dem das neue Leben, eben das Küken, die Schale aus Gips durchbricht und ans Tageslicht kommt, ist kein besonders starkes Symbol für den Auferstandenen, auch wenn die Eier mancherorts sogar Einzug in die Osterliturgie gehalten haben; die „liturgischen“ Eier sollten allerdings rot sein, so hält es die Ostkirche, weil Das Rot des Kreuzesblutes verwandelt ist vom Todessymbol zum Lebenssymbol.
Hasen haben mehrmals im Jahr Junge; er ist demnach ein Lebens- und Fruchtbarkeitssymbol; das liegt aber weniger an der österlichen Grundstimmung der Hasen, sondern eher daran, dass die Hasen die sexuell aktivsten Tiere sind; sie können vom Sex gar nicht genug haben. Der Nachwuchs wird es ihnen danken, und die Jäger auch.
Die Lösung ist wahrscheinlich folgende: Es handelt sich um einen Übersetzungsfehler in der Bibel. In den Sprüchen Salamos im Alten Testament steht der Satz: Hasen – ein schwaches Volk. Dennoch baut er sein Haus in den Felsen! Das bedeutet;: Der Hase scheint zwar schwach zu sein, aber er ist so stark, dass er sein Nest in den Felsen hinein baut.
In Wirklichkeit tut der Hase das aber nicht. Und hier haben wir wohl die Lösung: Was als „Hase“ irrtümlich übersetzt wird, ist in Wirklichkeit der Klippdachs. Das ist ein kräftiges Tier, das angeblich mit seinen scharfen Zähnen sogar eine Felsen aushöhlen kann; ein Hase kann das natürlich nicht und tut es auch nicht. Also wieder nichts mit dem Hasen. Und in der ziemlich neuen Einheitsübersetzung der Bibel ist der Fehler korrigiert: Der Hase hat wieder dem Klippdachs Platz gemacht.
Andere Deuter meinen, dass der Hase symbolhaft für die Heiden stehe, die im Felsen der Kirche Zuflucht suchen, indem sie sich taufen lassen. Fels – das ist der Name des Petrus, also Kephas, der die Kirche führt. Die Taufe aber war gewöhnlich am Osterfest. Daher kommt wohl die Verbindung des Hasen, der eigentlich ein Klippdachs ist, mit dem Osterfest.
Schade um den Hasen!
Manchmal sprechen wir davon, dass einer ein „Hasenherz“ hat oder ist. Das ist naheliegend, weil der Hase ganz schnell wegläuft, wenn er Gefahr wittert. Und war nicht Petrus damals, als er den Herrn verriet, eher ein Hasenherz als ein Felsen?
Wenn man sich Hasen aus Marzipan oder Schokolade schenkt, sollte man das alles wohl bedenken.