Das Bronzeportal des Domes von Benevent

Natürlich ist Kunst immer auch Geschmacksache, aber diese gewaltige Portaltür vom Dom in Benevent, von der wir hier eine einzige Szene zeigen, ist für mich eine der schönsten Bronzetüren des Mittelalters, Auch wenn sie entfernte Ähnlichkeit mit vielen anderen Türen hat, besticht sie durch ihre Lebendigkeit und ihren Charme. Überhaupt: Es ist ja ganz unglaublich, wie viel Kunst des Mittelalters an den Türen der Kathedralen verewigt wurde, und das eigentlich bis heute. Das haben Sie vielleicht an der ganz bescheidenen Auswahl einer unüberschaubaren Menge von Bronzetüren gemerkt, die wir Ihnen seit nunmehr zwei Jahren an dieser Stelle zeigen.

Von dem Portal in Benevent wissen wir geschichtlich fast nichts: keine Entstehungszeit, kein Künstler. Oder genauer: An dieser Tür haben mindestens zwei Künstler gearbeitet, es gibt in etwa zwei Typen von Motiven. Sie weichen voneinander ab, sind sich aber doch sehr ähnlich; vielleicht der Meister und sein Schüler? Man vermutet die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts, aber die Forschung ist schwierig, weil der Dom von Benevent im 2, Weltkrieg zerstört wurde und auch das Portal schweren Schaden erlitten hatte.

Aber nun zu unsrem Detail heute. Sie haben natürlich lange gemerkt, dass hier nicht das Abendmahl Jesu, sondern die Hochzeit von Kana dargestellt ist. Es ist übrigens sehr bemerkenswert, dass das irdische Wirken Jesu mit einem Mahl beginnt und mit einem Mahl, nämlich dem Letzten Pessachmahl endet; denn nach dem Mahl wird er ja verhaftet und getötet.

Hier in Kana ist aber eigentlich nicht das Mahl das Wichtigste, oder vielleicht doch? Der größere Teil des Bildes wird vom Mahl bedeckt, und da ganz in der Mitte ist, wie man deutlich ab ihrer Figur erkennen, die Braut mit einer Krone, und links daneben, etwas in sich gekehrt, der Bräutigam. Aber am tollsten finde ich das Motiv links: Jesus sitzt ganz außen am Tisch, und daneben seine Mutter, das wissen wir aus dem Evangelium. Und die redet ihm gut zu, und zwar sehr energisch. Jesus reagiert zunächst auf die Bitte seiner Mutter, er solle für Wein sorgen, ablehnend: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen!“ so sagt er. Daran sieht man den Bogen, der hier von der Hochzeit zu Kana zur „Stunde“, also zum Ende seines Wirkens geschlagen wird. Dann wird Jesus zu den Jüngern sagen: „Die Stunde ist gekommen, da der Menschensohn ausgeliefert wird.“ Das Gespräch der beiden auf unserem Bild ist wunderbar, einzigartig.

Und unten werden bereits die Wasserkrüge gefüllt, die Jesus in Wein verwandelt. In seinem Dialog mit der Mutter ist er bereits ein Wirkender.

Ich finde es herrlich, dass die Menschen, wenn sie vor der Tür standen, bereits ein weites Stück der Bibel vor sich fanden, in Benevent 24 Szenen des Neuen Testamentes. Dazu braucht man gar kein Buch, da reicht das Bild vollkommen.

Bei einem Wochenende mit Kommunionkindern vor vielen Jahren haben wir es ähnlich gemacht: Ich habe ein paar Geschichten aus dem Leben Jesu erzählt; die Kinder haben sie auf ziemlich festes Papier gemalt, und dann haben wir die Bilder auf der Eingangstür zur Kirche angeheftet.

Da standen wir in einer langen Tradition von zweitausend Jahren, wo etwa in der Mitte die herrlichen Bronzebilder von Benevent geschaffen wurden – und 800 Jahre die Bilder unserer Kommunionkinder.

Ulrich Zurkuhlen