„Kann aus Nazaret was Gutes kommen?“ (Jo 1,46).

Vor einigen Tagen hat mir ein Freund das Foto geschickt, das mich einigermaßen verblüfft hat: ein Hinweis auf die Autobahn-Raststätte Nazaret; das hätte ich nicht vermutet.

Nazaret gehört zu den biblischen Orten, die historisch sind, obwohl es ein kleines Kaff ist, etwa 300 Jahre vor Christus gegründet. Da Nazaret zwar nicht der Geburtsort, wohl aber das Heimatdorf von Jesus war, nannte man ihn den Nazarener, und so steht es  auch in der Kreuzesinschrift. Vermutlich war Nazaret ein Vorposten der 3 km entfernten Stadt Jaffa, also entweder eine Bauernsiedlung oder ein militärischer Stützpunkt. Darauf weist auch die Bedeutung des Namens hin: nazár bedeutet „hüten, bewahren“.

 

Oder hat es etwas zu tun mit der ebenfalls hebräischen Vokabel neser,das bedeutet „Spross, Nachkomme“. Sie erinnern sich, dass im Hebräischen nur die Konsonanten gebraucht werden, sodass es solche Verwechslungen gab: wir haben das mal an dem Beispiel kamal festgemacht, dass sowohl „Kamel“, als auch „Tau, Strick“ heißt, also „Eher geht ein …  durch ein Nadelöhr“. „Spross“, das bezieht sich auf die Jesajastelle, wo von dem Spross erzählt wird, der aus dem Stumpf Jesses hervorgeht. Da dieses Wortspiel „nazar – neser“ im Griechischen nicht möglich ist, kommt also die Verwirrung zustande.

 

Und um die Verwirrung perfekt zu machen: Das hebräische Wort „nazir bedeutet „geweiht“, danach wurde die Gruppe der streng religiösen „Nasiräer“ benannt, sodass an einer Stelle der Bibel steht, dass Jesus der Nasiräer genannt wurde.  Das Nasiräer-Gelübte gab es seit etwa 1000 bis 1200 vor Christus, es wird im Buch Numeri (6,3-12) genannt. Dabei schworen die Nasiräer, keinen Wein zu trinken, die Haare wachsen zu lassen, die Nähe zu Toten zu meiden usw. Auch konnten Eltern das Nasiräer-Gelübte für ihre unmündigen Kinder ablegen.

Welche Bezeichnung nun die richtige ist, ist schwer zu sagen. Jedenfalls ist es wohl sicher, dass Jesus tatsächlich in Nazaret groß geworden ist.

 

Woher ich das alles weiß? Meine beste Hilfe bei der Deutung der Bibel ist das „Handbuch der Bibelkunde“ von Heinrich A. Mertens. Ich habe ein Exemplar aus  dem Jahr 1966; damals war ich Kaplan in Lüdinghausen, und eben dieser Johannes A. Mertens, der geniale Bibelkundler, lebte in der Pfarrei St. Ludger; ich habe tolle Gespräch mit ihm geführt, und seine Bibelkunde ist bis heute ein unverzichtbares Werk; kaum ein Buch nehme ich so oft in die Hand wie dieses.

 

Bleibt noch die Frage: Ob Jesus wohl die Autobahn-Raststätte „NAZARET“ gekannt hat? Jetzt habe ich Sie heftig aufs Glatteis geführt; denn es gibt in der Nähe des heutigen jüdischen Ortes Nazaret keine Autobahn, weder zur Zeit Jesu noch heute, und das Schild hat Andreas Hebing in Belgien fotografiert, also kurz vor dem Autobahnübergang nach Nordfrankreich.

 

Alles klar?