Jüdische Volljährigkeit.

Kürzlich war ich in jenem Freilichtmuseum in Holland, kurz hinter der Grenze, das bisher „Heilig-Land-Stiftung“ hieß und das jetzt den neuen Namen „Museumspark Orientalis“ trägt; statt der biblischen Ausrichtung hat man sich jetzt bemüht, unbedingt auf eine totale Gleichgewichtigkeit der drei Religionen Judentum – Christentum – Islam bedacht zu sein. Das führt natürlich zu lächerlichen Vergleichen und knüppeldicken theologischen Irrlehren über das Christentum. Offensichtlich war kein christlicher Theologe bei der Umgestaltung beteiligt; schade!

Im Museumsshop kann man konsequenterweise nicht nur Glückwunschkarten zur Taufe, sondern auch zur Bar Mizwa kaufen. Diese Bar Mizwa ist die endgültige Aufnahme in die jüdische Gemeinde; ein jüdischer Junge, der dreizehn Jahre und einen Tag alt ist, wird in der Bar Mizwa religionsmündig, er ist nun für seinen Glauben allein verantwortlich. Bar Mizwa ist auch die Bezeichnung dieses religionsmündigen Jungen; die Mädchen heißen entsprechen Bat Mizwa, aber das ist nur in liberalen Gemeinden üblich, dass auch Mädchen ihre Religionsmündigkeit feiern. Ich habe vor etlichen Jahren an der Klagemauer in Jerusalem mehrere Bar Mizwa erlebt. Es ist ein großes Fest, zu dem viele Gäste kommen. Wenn die Feier in der Synagoge ist, wird der Bar Mizwa zu einem der zehn Männer, die anwesend sein müssen, wenn ein Gottesdienst sein soll. Der Vater muss erklären, ob er seiner Pflicht, seinen Sohn in den Glauben einzuführen, auch tatsächlich nachgekommen ist. Er dankt Gott dafür, dass er nun von der Last der Verantwortung befreit ist.

Der Höhepunkt der Feier aber ist, wenn der Bar Mizwa zum erstenmal in seinem Leben feierlich aus der Tora-Rolle vorlesen darf; das ist die Rolle, die vorher aus dem Tora-Schrank geholt wird. Die Feier und besonders die Lesung werden von Gebeten eingerahmt. Bar Mizwa heißt wörtlich „Sohn der Pflicht“; er nimmt also die Pflicht der jüdischen Religion auf sich. Als Kind wurde er in der Beschneidung zum Mitglied des jüdischen Volkes und zum Teilnehmer des Abraham-Bundes, aber jetzt wird er religionsmündig, also in etwa volljährig. Denn nun gehört er ganz der jüdischen Gemeinde an.

Ich habe vor einigen Jahren unseren Firmlingen einen eindrucksvollen Film von der Bar Mizwa gezeigt; denn die Parallelen sind unübersehbar. Zwar wird das kleine Kind schon in der Taufe in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen, aber erst in der Firmung wird der Christ ein vollgültiges Mitglied der Gemeinde, indem er nun sein persönliches Bekenntnis zum Glauben spricht. Auch der Firmling ist so etwa wie religionsmündig, und es ist zu hoffen, dass die Firmlinge mit ihrem Versprechen mündigen Glaubens gewissenhaft umgehen.

Ich würde mir wünschen, dass auch der Firmling dadurch seinen mündigen Glauben zeigen würde, indem er aus der Heiligen Schrift vorliest – und vielleicht dazu eine kurze ausdeutende Predigt hält.

Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass in unserer komplizierten Welt auch ein verantwortliches mündiges Bekenntnis zum Glauben nicht immer Ewigkeitswert hat. Viele Menschen vergessen später, dass sie sich zu einem mündigen, verantwortlichen Glauben bekannt haben. Für viele ist die Firmung – und vergleichsweise auch die evangelische Konfirmation – ein Ritual, das man später ablegen kann wie ein altes Gewand. Es mag auch daran liegen, dass das Firmalter manchmal viel zu niedrig ist; die Pubertät etwa ist keine gute Zeit für eine wichtige Lebensentscheidung. Hoffentlich werden in unseren Kirchen die Kinder nicht mit dreizehn Jahren gefirmt, sondern sinnvollerweise etwa mit 18, wenn sie auch in Staat und Gesellschaft Pflichten (Wehrdienst!) und Rechte (Wahlrecht!) übernehmen.

Vor einiger Zeit hat mir noch eine Frau, die jung verheiratet ist, gesagt, jetzt, mit dreißig Jahren, fühle sie sich imstande, das mündige Bekenntnis zum Glauben zu sprechen. Jetzt würde sie gern gefirmt werden, wenn sie es nicht schon seit 17 Jahren wäre.

Vielleicht lassen sich verantwortliche Seelsorger hier einen guten Weg einfallen.