Dein Vater ist ja auch nicht Gott!

Wir waren in Schweden! 65 Männer und Frauen, Jugendliche und Senioren aus Münster, Bocholt, Isselburg usw. hatten sich im Oktober auf den Weg gemacht, um als Pilger in ein Land zu kommen, das nicht gerade als Wallfahrtsland bekannt ist. Und dennoch: Einerseits haben wir die Grabstätten der Hl. Birgitta, des Hl. Olav und des großartigen Christen Dag Hammerskjöld besucht und an den Gräbern gebetet, andererseits hatten wir bei der täglichen Eucharistie-Feier versucht, dem Geheimnis des Pilgerns auf die Spur zu kommen; denn Pilger sind wir ein Leben lang, und mit dem Weggeleit Jesu Christi pilgert es sich gut.

Danken möchte ich an dieser Stelle noch einmal unseren ganz hervorragenden beiden Busfahrern Robert und Sobi, auch den jugendlichen Messdienern und Musikern, dem jugendlichen Service-Team und allen Helferinnen und Helfern.

Beeindruckt haben uns die herrlichen Kathedralen von Skara, Örebro, Uppsala und Lund, aber auch die wunderbaren kleinen Kirchen in Husaby, Gamla Uppsala u.a. Besonders Husaby war für mich die Realisierung eines Traumes; ich werde im Dezember noch einmal auf die wunderbaren Ausmalungen von Husaby zurückkommen.

Unser Kirchenfenster im Nazarener-Stil des 19. Jahrhunderts befindet sich in der Kathedrale von Örebro, mitten in der Stadt. Etliche wunderbare Kirchenfenster illustrieren Geschichten aus der Hl. Schrift. Dieses Fenster, dessen Aufnahme ich unserem mitreisenden Christoph Reiberg verdanke, zeigt die Geschichte vom verlorenen Sohn, die man heute gern – zu recht! – die Geschichte vom barmherzigen Vater nennt. Denn auf den Vater kommt es in dieser Geschichte ein, er steht für Gott, und dies ist das wohl schönste und der Verkündigung Jesu angemessenste Gottesbild. Der Vater liebt seinen Sohn so sehr, dass er ihn schweren Herzens in die Fremde gehen lässt, ausgestattet mit seinem Erbe. Und er liebt den Sohn so sehr, dass er ihn sogar ohne jeden Vorwurf wieder aufnimmt und sogar ein Fest für ihn feiert, obwohl der Sohn dem Vater zweifellos Kummer bereitet hatte. Wer liebt, ist wirklich auch ohnmächtig, und so ist Gott wohl auch: Liebend steht er dem freien Willen der Menschen oft hilflos und ohnmächtig gegenüber. Aber so ist die Liebe. Sie leidet, statt zu strafen. So ist Gott. Besonders zeigt er seine Liebe im Freigeben und noch mehr im vorwurfslosen Wiederaufnehmen.

Ich habe vor einigen Jahren diese Geschichte den Kindern bei der Vorbereitung auf das Bußsakrament erzählt, auch mit den schönen Bildern einer Kinderbibel. Ein pfiffiger Knabe sagte, als ich von der Rückkehr des Sohnes und der versöhnlichen Liebe des Vaters erzählte: „Das hätte mein Vater aber nicht getan; der hätte mich erst mal verkloppt!“ Darauf sagte ein anderer, mindestens ebenso pfiffiger: „Dein Vater ist ja auch nicht Gott!“ Der hatte verstanden, um was es ging. Und vor allem: So unglaublich liebevoll ist Gott. Er verzeiht und feiert ein Fest, weil er liebt. Auch die anderen hatten verstanden. So etwas ist eine Sternstunde im Leben eines Seelsorgers, wenn eine wichtige Botschaft auf fruchtbaren Acker fällt, obwohl damit zunächst gar nicht zu rechnen war. Ich glaube, dass ich selten den Flügelschlag des Heiligen Geistes so deutlich vernommen habe wie hier.

Manchmal können wir Menschen sehr gut zueinander sein, aber dass einer gegen jede Vernunft liebt: Das kann wohl nur Gott!