Gesicht aus Gesichtern.

Ein Kollege hat mir kürzlich das Bild als Postkarte geschickt; es hat mich beeindruckt. Man sieht auf dem Bild eine Menge von Gesichtern, einige bekannte und viele unbekannte. Ich entdecke z.B. das Bild von Papst Johannes Paul II., auch das Gesicht von Lady Diana, aber viel mehr bekannte Gesichter erkenne ich kaum. Vielleicht entdecken Sie noch einige weitere Gesichter, wenn Sie das Bild intensiv betrachten?

Das eigentlich Pfiffige an dem Bild aber ist, dass die vielen Gesichter ein einziges Gesicht ergeben. Es ist wie ein Mosaik: Aus vielen Einzelteilen setzt sich das Ganze zusammen. Das Ganze, das ist das Gesicht Jesu, und die Einzelnen sind die Gesichter vieler Menschen. Die Aussage des Bildes ist klar: Jesus, sein Gesicht, sein Leib ist die Summe all derer, die sich mit ihm verbunden wissen. Und der Betrachter denkt wahrscheinlich an das berühmte Bildwort des Apostels Paulus, u.a. im Korintherbrief, dass nämlich der Leib Christi sich aus den vielen einzelnen Organen zusammensetzt: ein einziger Leib aus vielen verschiedenen Gliedern. Paulus erweitert dieses Bild noch und sagt, dass alle irgendwie aufeinander angewiesen sind: Auge und Ohren , Kopf und Herz sind eine Einheit. Paulus vermeidet es natürlich, die Organe einzeln zu bestimmen; darum geht es auch nicht. Aber er hat recht: Das Auge braucht das Ohr, das Gehirn braucht das Herz, auch Hände und Füße sind unentbehrlich, wenn der Leib nicht ein Torso sein soll.

Das Bild vom Leib und den Gliedern ist ein wunderbares Bild: So ist die Kirche, so sollte sie jedenfalls sein. Denn das ist mit dem Bild gemeint, bei Paulus und auch auf unserer Postkarte: Alle Christen bilden zusammen den einen Leib Jesu Christi. Alle sind nötig, ob Papst oder Prinzessin, Jugendlicher oder Senior, Ehemann oder Ehefrau, Kind oder Säugling, Gesunder oder Kranker… Niemand ist unwichtig im Ganzen des Leibes Christi. Kaum ein Bild ist so schön wie dieses, aber auch so beachtenswert und beherzigenswert: Alle sind wichtig! Hoffentlich geht uns diese Gewissheit nie verloren. Und es wäre ja auch zu wünschen, dass sich diese Gewissheit im täglichen Leben zeigt. Es gibt keine unwichtigen Aufgaben in der Kirche, auch wenn sie noch so verschieden sind, und es gibt keine unwichtigen Menschen in der Kirche. Auf keinen kann verzichtet werden. Und wagen wir auch die kühne Schlussfolgerung : der kleine Säugling, der gerade getauft wurde, ist am Leib Christi genauso wichtig und wertvoll wie der Papst; alle gehören zusammen. Das dürfen wir nie vergessen.

Paulus hat das Bild übrigens nicht erfunden. Sondern in der antiken Literatur wird der Staat mit einem Leib verglichen; auch das ist bemerkenswert. Aber der wesentliche Unterschied ist der, dass im profanen Verständnis der Leib und die vielen Glieder eine Institution, eben den römischen Staat, verkörpern, bei Paulus aber ist es ein Mensch, nämlich Jesus Christus, dessen „Einzelteile“ wir Christen sind. Es ist ein kühner Übersprung, den Paulus da vollzieht, indem er von dem Bild wiederum ein Bildwort entwickelt: Christus gleich Leib gleich Gemeinschaft. Das ist eine großartige Erweiterung und Übertragung des Bildes vom perfekten Staat auf Christus und damit auf die Kirche.

Die bunte Postkarte reizt dazu, sich intensiver mit dem Bild vom Leib Christi zu beschäftigen. Wir können es übrigens auch noch ein bisschen anders formulieren:

WIR SIND KIRCHE! WIR SIND CHRISTUS!