Duft des Himmels.

In der Zeitung war vor einigen Monaten zu lesen, dass es bei einem großen Wallfahrtsgottesdienst im Würzburger Dom 30 Messdienerinnen schlecht geworden sei. Man hat das gleich auf den Weihrauch geschoben, aber es sind ja auch andere Ursachen denkbar. Einige Leute in Würzburg haben gesagt, die Mädchen hätten eine Weihrauch-Allergie. Andere meinten, die Mädchen seien eben in einem Alter, wo sie naturbedingt schon mal abbauten. Die Ursache wurde nicht wirklich geklärt. Es gibt auch das Umgekehrte: Manche meiner früheren Messdiener konnten vom Weihrauch gar nicht genug kriegen. Manche Leute sagen, man könne auch weihrauchsüchtig sein. Vielleicht.

Das Jesuskind in der Krippe in Bethlehem hatte weder eine Weihrauchallergie noch war es weihrauchsüchtig; jedenfalls weiß der Evangelist Matthäus nichts davon. Wahrscheinlich war das Jesuskind auch ganz froh über die Weihrauchdüfte, damit es mal etwas anderes roch als nur den Gestank von Ochs und Esel. Da riechen Weihrauchwolken angenehmer. Es war vermutlich eine Wohltat, die die Weisen dem Kind und den Eltern erwiesen hatten; nun roch der Stall nach Kirche.

Tatsächlich hat man Jahrhunderte lang den Weihrauch zur Desinfektion gebraucht. In manchen Gegenden wurden am Dreikönigstag die Ställe mit einem glühenden, dampfenden Weihrauchfass geräuchert, in Bayern ist dieser Brauch mancherorts noch lebendig. Auch das sensationelle Weihrauchfass in Santiago de Compostela, das wohl an die zwei Meter hoch ist und nach feierlichen Gottesdiensten durch die Kathedrale geschwungen wird, diente solchen Zwecken: Weil die Pilger früher in der Kathedrale übernachteten und nach wochenlanger duschbadloser Pilgerschaft wohl nicht nach 4711 rochen, wurde mit dem starken Weihrauch die Kirche desinfiziert. Heute ist es ein schönes liturgisches Spektakel, und wenn zehn starke Männer das Fass zum Schluss mit kühnem Schwung festhalten, brandet der Beifall auf.

Im Kaiserkult der Antike hatte der Weihrauch eine ganz andere Bedeutung: Er war Zeichen der Ehrfurcht vor dem Kaiser, und zwar deswegen, weil der Weihrauch nur vor Gott entzündet werden durfte, und für einen solchen hielt sich der Kaiser in der Regel. Das verweigerten ihm die Christen natürlich, weil für sie der Kaiser kein weihrauchwürdiger Gott war, sondern meistens ein dummer und überheblicher Politiker. Für Christen galt ­und gilt: Nur Gott ist Gott, nur er darf beweihräuchert werden. Und weil viele das Weihrauchopfer für den Kaiser verweigerten, starben sie den Märtyrertod.

In der Liturgie wird der Alter mit Weihrauch eingehüllt, und die Gemeinde wird beweihräuchert; denn auch sie ist ein Zeichen der Anwesenheit Gottes: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen, sagt Jesus. Wo die Gemeinde versammelt ist, ist Gott nicht fern. Übrigens wird bei einer Altarweihe eine Reihe von fünf Weihrauchhäufchen auf dem Alter entzündet, und vom Altar steigt der Weihrauch in die Höhe.

Und auch das ist ein starkes Symbol: In einem Gebet, dass sich an einen Text aus dem Alten Testament anlehnt, heißt es: Mein Beten steige auf zu dir, wie Weihrauch, Herr, vor deinem Angesicht. Der Weihrauch zeigt die Richtung unseres Betens an: von unten hier auf der Erde zu Gott, der über allem ist,

Eine Wolke aus Weihrauch erinnert an die Gegenwert Gottes, der damals beim Wüstenzug der Israeliten in einer Wolke vor ihnen her zog. Man konnte ihn selbst nicht sehen, aber man konnte ihn in der luftigen, schwerelosen Wolke ahnen.

Schließlich ist der Weihrauch auch ein Heilmittel. Naturvölker gebrauchen ihn auch heute noch als Medizin gegen die Erkrankung der Atemwege. Wenn man den Weihrauch einzog, wurden die Atmungsorgane gereinigt. Es ist also eine schöne Vielfalt von Inhalten, die wir mit dem Weihrauch verbinden: Zeichen der Gegenwart Gottes; Heilmittel; Zeichen des Gebetes.

Wenn Messdiener mit dem Weihrauch umgehen, verrichten sie eine wichtige Aufgabe. Eigentlich sollte man im Gottesdienst viel mehr mit Weihrauch umgehen, aber dann beschweren sich die Leute mit der Weihrauch-Allergie. Man kann es eben nicht allen recht machen. Schade.

Allen Messdienern aber, die im Umgang mit dem Weihrauch den höchsten Status des Messdiener-Seins verkörpern, sei an dieser Stelle ein Denkmal gesetzt. Das Bild mit dem Weihrauch auf der Hand ist übrigens, wie auch die beiden vorherigen Monatsbilder von Andreas Lechtape bei der Fronleichnams-Prozession 2007 der St.Benedikt-Gemeinde in Münster fotografiert. Etwa70 Messdiener gingen mit, und der Weihrauch quoll aus sieben Weihrauchfässern in die Baumgipfel des Boniburg-Waldes. Wie bei den früheren Prozessionen der Dyckburg-Gemeinde, wurde auch diesmal etwa ein Kilo wohlriechenden Weihrauchs verfeuert, sogar noch einige Körner, die jemand vom Berg Athos mitgebracht hatte, aber auch aus dem Kloster Ottobeuren und aus der Heilig-Land-Stichting in Holland.