…da bin ich mitten unter ihnen

…da bin ich mitten unter ihnen

Waren es nun zwei oder drei, die nach gemeinsamer Wegstrecke im Dörfchen Emmaus ankamen? Unser Bild lässt die Frage offen und legt sich nicht fest, macht aber zugleich den zaghaften Versuch einer Antwort.

Die Geschichte, eine der schönsten des ganzen Neuen Testaments, erzählt von vier verschiedenen Menschentypen: Da sind zunächst solche, die mit allem, was mit Religion zu tun hat, Schluss gemacht haben; für sie ist Jesus tot, vielleicht weil sie enttäuscht sind; vielleicht, weil sie einen ganz andern Lebensweg eingeschlagen haben. Religion kommt allenfalls noch in seliger Erinnerung an fromme Kindertage vor: „damals“, so beginnen manche Sätze; aber jetzt?

Dann gibt es zweitens Menschen, die eine Ahnung haben von dem, was sein könnte; sie sind nicht völlig ohne Hoffnung, aber sie wissen noch nicht genau, wohin der Weg eigentlich geht: sie spüren, dass das Leben letztlich aus anderen Wirklichkeiten als den banalen, alltäglichen bestehen muss; aber aus welchen?

Und dann sind da diejenigen, die noch sehr verhalten, aber mit Hoffnung etwas von diesem Jesus von Nazareth spüren; der sie doch irgendwie fasziniert, wenigstens in seiner Menschlichkeit; von dem sie den Eindruck haben, dass mit ihm das Leben doch wohl sinnvoller zu leben wäre als ohne ihn. Solche Menschen treffen sich dann, auch mit aller Unsicherheit und allem Kleinglauben beladen, zur Feier des „Brotbrechens“ am Sonntagmorgen, wo die Menschen so, wie sie sind, vor Gott hintreten dürfen; und die dabei doch spüren, dass sie von einer unsichtbaren, aber doch sehr wirkungsvollen Kraft verwandelt werden, so dass sie auch leben und überleben können, wenn er ihnen in die Unsichtbarkeit entschwindet.

Und schließlich gibt es die, die einfach überfließen von der Erfahrung eines gegenwärtigen Gottes und die auch weitersagen, dass sie es in ihrem Leben mit einem lebendigen Gott zu tun haben.

Unser Bild, dass der Maler Theo Schäfer (Ostbevern-Loburg) im Jahre 1975 gemalt hat, zeigt die beiden Menschen unterwegs: Sie sprechen miteinander „unter vier Augen“; und sie hören dabei Worte, die sie nicht selbst gesagt haben, weil sie sie gar nicht sagen konnten, so sehr war ihr Herz vom Gefühl der Mutlosigkeit besetzt. Aber klangen nicht durch alle Resignation auch Worte der Hoffnung hindurch? Weil da zwischen, mit und in ihnen einer unsichtbar mitgeht, der sie einen staunenden Blick in die Liebesgeschichte Gottes mit seinen oft so abweisenden Menschen tun lässt: Die Stationen des Lebensweges Jesu sind an den Rändern des Bilds sehr behutsam angedeutet: Geburt, Worte, Taten, Verurteilung, Leiden und schließlich sein Tod am Kreuz in Anwesenheit von zwei oder drei bis zuletzt liebevollen Mitmenschen – alles hat einen Sinn. Denn Gott wirkt auch da, wo Leid und Sinnlosigkeit überhand zu nehmen scheinen: gerade da! Bei der Feier des Brotbrechens wissen sie sich endgültig angenommen und aufgenommen. Der Rückweg der verwandelten Menschen ist zugleich ein völlig neuer Aufbruch: Das Erfahrene weitersagen, Jesusnähe miteinander austauschen mitten in der Traurigkeit des Lebens.

Christen kommen auch heute noch „am ersten Tag der Woche“ zusammen, auch wenn manchen von ihnen nicht der Sinn nach Jesus steht. Aber sein Wort hören und das Brot miteinander brechen schafft Verwandlung, „Ausstrahlung“ auch außerhalb der Kirchenmauern, damit auch andere mitgenommen werden in die lebendige Gegenwart Jesu.

Dann kann Emmaus nämlich überall sein.

Ulrich Zurkuhlen (April 2004)