Ein Freund feiert Geburtstag 

– Am 26. Oktober wird der Teddy 100 Jahre alt –

Er ist immer da, wenn man ihn braucht. Ohne viel Worte zu machen, ist allein seine Gegenwart schon tröstlich. Er kann endlos die schönen und vor allem die traurigen Geschichten anhören, ohne zu widersprechen und ohne zu unterbrechen. Er ist geduldig und redet nur, wenn er dazu aufgefordert wird. Das heißt: Er redet nicht, sondern er brummt – der Teddy! 

Am 26. Oktober des Jahres 1902 erblickte der Teddy, noch namenlos, das Licht der Welt. Man kann sich gar nicht ausmalen, wie die Menschen – Kinder wie Erwachsene – mit ihren Sorgen und Depressionen fertig wurden, als es den Teddy noch nicht gab; es muss schrecklich gewesen sein. Das Kommen des Teddys ist eigentlich ein Zufall. Immer schon suchte Margarethe Steiff mit ihrem Neffen Richard nach einem Spielzeug, das möglichst viele Menschen erfreuen würde. Dass es ein Plüschtier sein musste, war ziemlich klar. Dass es ausgerechnet der Teddy wurde, ist ein Wunder. 1902 gelang nach vielen vergeblichen Anläufen der große Wurf: Auf der Spielzeugmesse in Leipzig trat der Teddy seinen Siegeszug durch die ganze Welt an. Zunächst zog es ihn in die USA, wo innerhalb weniger Monate einige Zehntausende verkauft wurden. 

Dort bekam er auch seinen Namen, unter dem er weltweit bekannt wurde. Als der Präsident Theodor Roosevelt, mit Spitznamen „Teddy“, auf einer Bärenjagd vom Jagdglück nicht begünstigst wurde, sondern völlig erfolglos blieb, trieben seine wohlmeinenden Freunde ihm einen jungen Bären vor die Flinte. Aber Roosevelt weigerte sich zu schießen. Das hat ihm in den Karikaturen den Ruf eines „Weich-Eis“ eingebracht; Männer sind eben anders. Wenig später wurde Roosevelt gefragt, ob die neuen Plüschbären nach ihm benannt werden dürften, und dann sagte er den berühmten, folgenschweren Satz: „Ich kann mir zwar nicht vorstellen, das das dem Vertrieb der Tiere förderlich ist, aber ich habe nichts dagegen.“ Präsident Roosevelt ist im Namen von Millionen „Teddys“ unsterblich geworden. 

Es ist erstaunlich, dass selbst im Zeitalter von Computer-Spielen und Game-Boys die Teddys eher an Rang und Erfolg zugenommen haben. Teddys sind allgegenwärtig. Auch Sammler haben die Teddy-Manie entwickelt. Der teuerste Teddy aus der ersten Generation hat vor einiger zeit den Preis von 250 000 Euro erzielt. 

Der Teddy hat viele Entwicklungen durchgemacht. Zunächst stand der Eisbär mit dem kleinen Puckel, den langen Armen und der flachen Stirn Modell für die Teddys. Dann, etwa seit den zwanziger Jahren, wurde der Braunbär mit der ausgeprägten Nase zum Trendsetter. Schließlich wurde der Koala-Bär buchstäblich maßgebend, auch der Panda musste kurz vor dem 2. Weltkrieg Modell stehen. Heute gibt es zahllose Varianten, und selbst in Kaufhäusern, wo tausende Teddyaugen den Besucher anblicken, hat man nicht den Eindruck, es mit einer Massenware zu tun zu haben, sondern mit Individuen. 

Besondere Teddy-Liebhaber sind die Engländer. Es gibt kaum eine Kathedrale oder Burg, wo man nicht einen ortsbezogenen Teddy kaufen könnte. In der Kathedrale von Canterbury, in der Nähe des Hauptalters habe ich einen Teddy, der als Bischof mit Chormantel, Albe, Stola, Brustkreuz und Mitra bekleidet war, gesehen – und natürlich gekauft. Vor einigen Tagen ist „Lady Victoria“ bei mir eingezogen, ein lieblich-zartes Teddy-Mädchen mit einem wunderbaren, pelzbesetzten blauen Umhang und einem schicken Kleidchen darunter. 

Man muss sich nur mal ausdenken, wie viel Liebe in Teddys im Lauf der 100 Jahre investiert worden ist; diese Liebe kann doch nicht ins Nichts abgedriftet sein. Sondern Teddys sind vielleicht deshalb so begehrt, weil sie so empfänglich für Liebe sind und diese Liebe auch zu erwidern scheinen. 

Jedenfalls ist das Jahrhundert des Teddys eine 100jährige Erfolgsgeschichte, und das sollte man gründlich feiern. Prost!

Ulrich Zurkuhlen (Oktober 2002)